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Gedanken für den Tag
"Ohne Unterschied des Geschlechts .!?"
Gabriella Hauch, Historikerin und Professorin für Geschichte der Neuzeit mit dem Schwerpunkt Frauen- und Geschlechtergeschichte, über Frauenleben in der Zweiten Republik
27. September 2025, 06:57
Gender (= englisch für Geschlecht) ist keine Erfindung des Feminismus. Vielmehr basiert die bürgerliche Gesellschaft auf einem System, das an der Geschlechterlinie via Gesetzen Menschen in bestimmten Bereichen ein- oder ausschloss. Das waren lange Zeit Gymnasien, Universitäten und viele Berufe, die "allgemeine" Wehrpflicht, die zwar so hieß, aber nur Männer umfasste, weil sie das "Allgemeine" repräsentierten oder die Politik, die erst ab 1918 für Frauen geöffnet wurde. Die Kategorisierung als weibliches oder männliches Geschlecht markierte nicht nur Unterschiede, sondern Machtverhältnisse - nicht zum Vorteil von Frauen.
Über die Erste Republik, Austrofaschismus und Nationalsozialismus hinweg prägte diese Situation auch die ersten Jahrzehnte der Zweiten Republik. Erst die neue Frauenbewegung, die in den 1970er Jahren in Fahrt kam und gegen die Nachhaltigkeit dieser Ungleichheiten revoltierte, läutete eine Veränderung ein. Letzte gesetzliche Bastionen wurden in Frage gestellt: das Familienrecht aus dem Jahre 1811 wurde reformiert und der § 91, der den Mann zum Haupt der Familie machte, 1975 endlich gestrichen. Die 80-jährige Frauengeschichte der Zweiten Republik ist voller Ambivalenzen, der Weg zu einer geschlechtergerechten und damit frauenfreundlichen Gesellschaft noch nicht zu Ende.