Geschmolzenes in Form eines Herzens

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Gedanken für den Tag

Rilkes Liebe und Hannah Arendts Gegengift

Miriam Metze, Philosophin, über die unglückliche Liebe

Als ich im November 2024 begonnen habe, an meinem Buch zu schreiben, ist so vieles geschehen in der Welt, das mir wichtiger schien, als über die Liebe nachzudenken - und dann auch noch ausgerechnet über die unerwiderte Liebe.

Mein Glück war es, dass ich damals auf einen Gedanken von Hannah Arendt gestoßen bin. Die Liebe hat Arendt Zeit ihres Lebens beschäftigt, besonders aber trieb sie eine Idee von Rainer Maria Rilke um, nämlich die, dass man in der Liebe immer einsam sei.

In seinen Duineser Elegien schreibt Rilke, dass ihm die Verlassenen so viel liebender schienen als die Gestillten, also als jene, die ihre Liebe auch leben können. Es sei "Zeit", sagt er, dass wir liebend uns vom Geliebten befrein und es bebend bestehn (…). Denn Bleiben", sagt Rilke, "ist nirgends." Das ist wohl der Grund, warum er in einem Gedicht an die Schriftstellerin Erika Mitterer diese furchtbaren Zeilen schreiben musste: "Sieh mich nicht als Stetes und Erbautes, (…) weder Brücke kann ich sein noch Ziel, bloß Wind in deinem Blumengrunde."

Hannah Arendt hatte ein Problem mit diesem Wind im Blumengrund. Rilke hätte sich in die Einsamkeit zurückgezogen, um die Kontrolle zu behalten, sagt sie. Wer liebt, ist aber nicht souverän, sondern weiß um sein Angewiesensein auf einen anderen Menschen. Wenn hingegen die eigene Liebe nicht mehr Bewegung hin auf einen anderen ist, sagt Arendt, wird die Geliebte eigentlich überflüssig. Das aber, sagt sie, ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. In Rilkes einsamer Liebe sei, meint sie, der Gedanke geboren worden, dass es Menschen geben kann, die es gar nicht braucht.

Nach Arendt liegt das Übel also viel näher, als wir glauben mögen - dort, wo man es wohl am wenigsten vermuten würde: in unseren Vorstellungen über die Liebe.

Service

Miriam Metze, "Unerwidert lieben - eine philosophische Tröstung", Verlag Mairisch 2026

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Zdenek Fibich 1850 - 1900
Album: MOODS, IMPRESSIONS & SOUVENIRS / STIMMUNGEN, EINDRÜCKE & ERINNERUNGEN
* 3. Stimmung op.41 Nr.8 in Es-Dur : Adagio (00:02:12)
Titel: Stimmungen op.41 Teil I - für Klavier
Solist/Solistin: William Howard
Länge: 02:12 min
Label: Chandos CHAN 9381

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