
STADT WIEN/BUBU DUJMIC
Im Gespräch
In memoriam Daniela Tugendhat, Kunsthistorikerin
"Kunst ist meistens politisch"
Renata Schmidtkunz im Gespräch mit der Kunsthistorikerin Daniela Tugendhat
23. Oktober 2025, 21:00
Am 17.September starb in Wien die Kunsthistorikerin Daniela Hammer-Tugendhat. Aus diesem Grund wiederholen wir ein Gespräch, das Renata Schmidtkunz im Februar 2016 mit Hammer-Tugendhat geführt hat.
Wer einmal mit Daniela Hammer-Tugendhat ins Kunsthistorische Museum in Wien gehen durfte, konnte sein blaues Wunder erleben: leichtfüßig, berührt und berührend, sachkundig und zutiefst engagiert öffnete Tugendhat jedem die Augen für die politischen Botschaften, die Peter Bruegel der Ältere in seinen Gemälden versteckte. Ah, sein Gemälde "Die Kreuztragung Christi" ist nicht fromm, sondern thematisiert die ständige Wiederholung der Folter, des Kreuzigens und die brutale spanische Besatzungsmacht zur Mitte des 16. Jahrhunderts? Ist also politisch zu deuten? Nur eines von unendlich vielen Beispielen aus der großen Erfahrung und dem großen, auch historischen Wissen der Professorin, die neben vielem anderen auch als Pionierin der feministischen Kunstgeschichtsschreibung gilt. Geboren wurde sie am 2. August 1946 in Caracas/Venezuela als fünftes Kind ihrer Eltern Grete und Fritz Tugendhat. Mutter Grete stammte aus der jüdischen Familie Löw-Beer. Ihr Vater, Alfred Löw-Beer, war als Textil-Industrieller reich geworden. 1929 gaben Grete und Fritz bei dem zu der Zeit bereits berühmten Architekten Mies van der Rohe den Bau eines Hauses in Auftrag das 1930 fertiggestellt wurde und bis heute als Meilenstein der Moderne gilt: die Villa Tugendhat in Brünn. 1938 floh die Familie zunächst in die Schweiz und dann nach Venezuela, wo Daniela geboren wurde. Nach der Rückkehr nach Europa studierte Daniela Tugendhat Kunstgeschichte und Archäologie an den Universitäten Bern und Wien. 1975 promovierte sie mit einer Arbeit über Hieronymus Bosch und habilitierte sich 1993 mit Studien der Geschlechterbeziehung in der Kunst. 1997 wurde sie an die Universität Frankfurt berufen und 1999 zum Fellow des "Zentrums zur Erforschung der Frühen Neuzeit" in Frankfurt ernannt. Von 1998 bis Juni 2012 war sie außerordentliche Professorin an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Als kunsthistorische You-Tuberin war die Feministin und passionierte Mutter und Großmutter bis vor einigen Jahren äußerst erfolgreich. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Konservator Ivo Hammer engagierte sie sich für die Wiederherstellung der Villa Tugendhat.
Renata Schmidtkunz folgt Daniela Tugendhat durch zwei ihrer Lieblingsgemälde des Pieter Bruegel und ihr kunstgeschichtliches Universum.