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Machos Klassiker der Philosophie (IX)
Zehn klassische Texte der Philosophie - ausgewählt und kommentiert von Thomas Macho.
9. Folge: Rahel Varnhagen von Ense: "Traumaufzeichnungen aus dem Tagebuch" (1812)
Es liest Elisabeth Findeis
Es liest Elisabeth Findeis
7. November 2025, 11:05
Rahel Varnhagen von Ense wurde am 19. Mai 1771 in Berlin geboren, wo sie auch am 7. März 1833 starb; sie war die älteste Tochter des jüdischen Bankiers Levin Markus Cohen. Ihre Bildung erhielt sie durch privaten Unterricht: Sie lernte Französisch, Englisch und Italienisch, aber auch Klavierspiel und Tanz; bereits früh unternahm sie Reisen, etwa nach Breslau, Teplitz oder Paris. Rahel vertrat die Ideale der europäischen Aufklärung und setzte sich ein für die jüdische Emanzipation und die Rechte der Frauen. Ab 1793 führte sie in der Berliner Jägerstraße 54 am Gendarmenmarkt einen Salon, in dem prominente Persönlichkeiten verkehrten, beispielsweise Jean Paul, Ludwig Tieck, Friedrich Schlegel, die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, Friedrich de la Motte Fouqué, Heinrich Heine, Friedrich Schleiermacher oder Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Am 27. September 1814 heiratete sie den jüngeren Diplomaten und Historiker Karl August Varnhagen von Ense, der von 1785 bis 1858 lebte und nach dem Tod seiner Frau auch ihren umfangreichen Nachlass verwaltete und herausgab. Rahel hatte vor allem den Briefwechsel gepflegt; sie schrieb mehr als sechstausend Briefe, daneben Aufzeichnungen und Exzerpte für ihre Tagebücher, gelegentlich auch Aphorismen und kritische Essays. Intensiv befasste sie sich mit dem Werk Johann Wolfgang von Goethes, den sie 1795 in Karlsbad persönlich kennengelernt hatte - und in späteren Jahren mehrmals besuchte.
Rahels Traumaufzeichnungen in ihrem Tagebuch, datiert auf Juli 1812, erinnern uns daran, dass Träume nicht nur in der Literatur-, Religions- und Kulturgeschichte eine bedeutende Rolle gespielt haben, sondern auch in der Philosophie, von Platon und Aristoteles bis zu Ciceros Somnium Scipionis, von Büchern zur Traumdeutung, wie sie bereits Artemidor von Daldis im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung verfasst hat, bis zu Augustinus und den Confessiones, von Descartes bis zu Immanuel Kant, Sigmund Freud oder Jean-Paul Sartre. Be-eindruckend bleibt bis heute der Reichtum der Traumerzählungen, den Christiane Solte-Gresser in ihrer opulenten Sammlung Die Welt der Träume. Eine Reise durch alle Zeiten und Kulturen (2023) überzeugend dokumentiert hat. Zwei Hinweise am Rande: Das Kürzel F. in Rahels drittem Traum bezieht sich wohl auf Karl Friedrich von Finckenstein, mit dem Rahel zwischen 1796 und 1799 eine kurze Liebesaffäre unterhalten hatte; im vierten Traum wird Bettina Brentano erwähnt, die Schwester Clemens Brentanos. Die Bezüge erklären sich vielleicht aus dem Jahr 1811: In diesem Jahr starb Finckenstein, und im selben Jahr heirateten Bettina und Achim von Arnim.
Sendereihe
Gestaltung
- Peter Zimmermann