Radiogeschichten

"Reichskanzlerplatz". Von Nora Bossong.
Es liest Cédric Cavatore

Der einstige Berliner Reichskanzlerplatz war ein Ort wie ein Chamäleon und darin ein Spiegel historischer Umbrüche: Anfang des 20. Jahrhunderts unter dem Hohenzollern-Kaiser Wilhelm II. angelegt, wurde er 1933 zum Adolf-Hitler-Platz, bis ihn Nazi-Architekt Albert Speer als Mussolini-Platz neu konzipierte. Wozu es nicht kam. 1963 schließlich erhielt er seinen jetzigen Namen: Theodor-Heuss-Platz, eine Hommage an den ersten deutschen Bundespräsidenten nach Ende des Nationalsozialismus.

"Reichskanzlerplatz" ist auch der Titel des jüngsten Romans der deutschen Schriftstellerin Nora Bossongt: ein Band über die Zeit von der Weimarer Republik hin zum Aufstieg und Fall Hitlers und zugleich das Porträt von Mitläufern, Wendehälsen und Opportunisten. Nora Bossong schickt dafür eine Reihe realer Personen auf die literarische Bühne. In der Hauptrolle Magda Goebbels: ein Chamäleon auch sie. Aufgewachsen mit einem jüdischen Stiefvater, fühlte sie sich als junges Mädchen zum Judentum hingezogen und erwog sogar die Auswanderung nach Palästina, ehe sie in die Fänge der Propagandamaschinerie ihres Jupp geriet, besser bekannt als Joseph Goebbels. Ähnlich berühmt die Quandts, eine Dynastie von Industriellen, die als Günstlinge des Regimes ihr Vermögen machte und bis heute zu den reichsten Familien Deutschlands zählt. Doch damit nicht genug: Nora Bossong holt noch eine Reihe von Ministern, Politikern und Prominenten vor den Vorhang, an denen sich Historiker längst abgearbeitet haben. Sie alle treten nun in einem breiten Panorama über die Wege in und durch den Nationalsozialismus auf. Wann kippen Biographien, wann dominiert das Dunkle über das, was man das Gute im Menschen nennt? Das sind die zentralen Fragen, die der Band umkreist.

Service

Nora Bossong: "Reichskanzlerplatz", Roman, Suhrkamp Verlag.

Sendereihe

Gestaltung

  • Peter Zimmermann

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