Vom Umgang mit der Vergangenheit

17. November 2025, 06:57

"Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen", hat William Faulkner 1951 in seinem Roman "Requiem für eine Nonne" geschrieben. Wieviel Wahres in diesem Satz liegt, offenbart sich in meinen Augen immer wieder, wenn es um die Vergangenheit des Nationalsozialismus geht.

Heute vor einer Woche war ein emotionaler Tag, an dem Freude und Trauer aufeinandergetroffen sind: Im österreichischen Parlament gab es eine Art Geburtstagsfeier: Mit einem feierlichen Festakt hat die Republik das 30-jährige Bestehen des Nationalfonds begangen - seit 1995 ist er Ausdruck der Anerkennung und der Unterstützung für die Opfer des Nationalsozialismus.

Zugleich ist der 10. November untrennbar mit einem der schwärzesten Kapitel unserer Geschichte verbunden: 87 Jahre ist es heuer her, dass in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 die Novemberpogrome als grausame Vorboten die Schrecken der NS-Herrschaft in Österreich eingeläutet haben. Die Gewaltexzesse, die damals verübt worden sind, hätten viele in einem aufgeklärten, hochzivilisierten Europa für undenkbar gehalten. Und doch ist das Undenkbare möglich geworden.

Als der Nationalfonds 1995 geschaffen worden ist, da haben diese Schrecken bereits 50 Jahre der Vergangenheit angehört - einer Vergangenheit, von der man geglaubt hatte, man hätte sie hinter sich gelassen. Man hatte sich mit dem Schweigen arrangiert. Es ist einfacher erschienen, als sich mit einer traumatischen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Man wollte vergessen, den Blick in die Zukunft richten. Doch das, wovor wir weglaufen, holt uns ein, früher oder später.

Es ist, wie Faulkner konstatiert: Die Taten der Vergangenheit haben Auswirkungen auf die Gegenwart. Sie wirken in ihr fort. Sie beeinflussen unser Leben, auch wenn wir uns dessen nicht immer bewusst sind. Das Vergangene ist nicht tot.

Service

Podcast abonnieren

Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler