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Punkt eins
Wen der Sozialstaat unterstützt
Leistungen, Reformbedarf und Perspektiven der Sozialhilfe. Gäste: Univ.-Prof. Dr. Bernhard Kittel, Leiter des Instituts für Wirtschaftssoziologie, Universität Wien & Stefan Thurner, Geschäftsführer der Sozialplattform Oberösterreich. Moderation: Marina Wetzlmaier. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
27. November 2025, 13:00
Die Sozialhilfe in Österreich gilt als "letztes Sicherheitsnetz". Haushalte, die diese Unterstützung erhalten, haben Schwierigkeiten, die Miete und Betriebskosten pünktlich zu zahlen, die Wohnung warm zu halten, sich ein Auto zu leisten, die Freizeitaktivitäten ihrer Kinder zu bezahlen oder unerwartete Ausgaben zu stemmen. Kinder und junge Personen bis 29 Jahre sind mit einem Anteil von 37 Prozent die größte Gruppe der Bezieher:innen. Weitere 35 Prozent sind arbeitssuchend. Acht Prozent arbeiten zwar, allerdings ist ihr Einkommen so gering, dass sie Zuzahlungen aus der Sozialhilfe benötigen. Die Mehrheit der Beziehenden steht dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung: aufgrund einer chronischen Erkrankung oder einer Behinderung, weil sie pflegende Angehörige sind oder in Pension.
205.781 Personen erhielten im Jahresdurchschnitt 2024 Mindestsicherung oder Sozialhilfe. Wie viel sie jeweils erhalten, hängt davon ab, wo sie wohnen. Der Bund gibt zwar einen verbindlichen Rahmen vor, in der detaillierten Auslegung haben die Länder jedoch einen gewissen Spielraum, etwa bei der Unterstützung für Wohnkosten oder Geldleistungen für Kinder. Nicht alle Bundesländer setzen das derzeit geltende Sozialhilfe-Grundsatzgesetz von 2019 um. Wien hat es nur teilweise umgesetzt, in Tirol gilt noch die alte Mindestsicherung.
Mit einer Reform will die Regierung ab 2027 einheitliche Regelungen schaffen. Währenddessen preschen einzelne Bundesländer mit neuen Verschärfungen vor. Oberösterreich und die Steiermark führen ab 2026 eine "Bemühungspflicht" ein. Jenen, die bei der Arbeitssuche, in der Ausbildung oder Qualifizierung keine Initiative zeigen würden, drohen Leistungskürzungen bis hin zu Strafzahlungen und Ersatzfreiheitsstrafen. Sanktionen soll es auch in Salzburg und in Niederösterreich geben. In Wien erhalten ab 2026 subsidiär Schutzberechtigte keine Mindestsicherung mehr.
Sozialorganisationen warnen vor einem "gefährlichen Wettlauf nach unten" nach dem Motto: "wer zahlt am wenigsten und wer schließt am effizientesten Menschen aus?" Die Armutskonferenz weist auf "vergessene und verschwiegene Probleme in der Sozialhilfe" hin, etwa Hürden für Menschen mit Behinderungen, fehlende Härtefallregelungen, lange Entscheidungsfristen und Probleme im Vollzug. Schon jetzt zeige sich in den Bundesländern, dass Regelungen strenger werden, aber in der Armutsbekämpfung weniger wirksam seien. Eine Reform müsse auf diese Missstände reagieren. Die Sozialplattform OÖ, ein Netzwerk aus 44 sozialen Organisationen, befürchtet armutsverschärfende Effekte.
Was leistet die Sozialhilfe in Österreich und was nicht? Wofür wurde sie geschaffen und erfüllt sie ihre Zwecke? Wie viel Unterstützung kann sich der Staat leisten? Wie wirken sich Kürzungen und Sanktionen aus? Was sind die Alternativen?
Darüber spricht Marina Wetzlmaier mit Stefan Thurner, Geschäftsführer der Sozialplattform OÖ, Bernhard Kittel, Universitätsprofessor und Leiter des Instituts für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien, und mit Ihnen. Rufen Sie an unter 0800 22 69 79 (kostenfrei innerhalb von Österreich) oder schreiben Sie uns per E-Mail an punkteins(at)orf.at
