Ö1 Hörspiel
"Marillenmassaker" von Caroline Hofer
Kurzes Innehalten im Alltag
29. November 2025, 14:00
Das Gehen ist der Rahmen, in dem das Hörspiel "Marillenmassaker" von Caroline Hofer eingebettet ist. Während das institutionalisierte Gehen in den letzten Jahren zum Trend geworden ist, Stichwort: Jakobsweg, passiert der Protagonistin Nives dieses Gehen durch einen Unfall im Alltag: Sie stürzt nach einem plötzlichen Break-up in ein Baubodenloch und findet sich im Untergrund der Stadt wieder.
Während ihres darauffolgenden Walks begleiten sie Rückblenden zu Unterhaltungen mit ihrem Großvater - "Ich hab' mir da was überlegt, Nives: kann es sein, dass du mehr Fleisch essen musst?"- und mit ihrer im Ausland lebenden Freundin Juno (einer Fahrradbotin und Lebenskünstlerin). Auch die Erzählerin mischt sich in das Geschehen. Unter ihrem teils neugierigen, teils distanzierten Blick werden häppchenweise Lebenssituationen sowie aktuelle, gesellschaftsrelevante Themen besprochen: "Von einem System ins nächste schlitterst du vollkommen unvorbereitet: Von der Kleinfamilie in die Krippe, in den Kindergarten, in die Schule, auf die Hochschule, in die Wirtschaft, in die Pension, ins Krankenhaus, ins Pflegeheim oder in die Hölle der anderen."
Die Handlung bringt somit ebenso surreale Momente wie mehrere Raumwechsel mit sich. Juno beispielsweise schildert in einer Voice-Message ihren Besuch auf der Vernissage eines Künstlers, auf den sie auch in einer der Dialogszenen des Hörspiels trifft. Die Hörerin erfährt über Nives' Leben wesentliche Eckdaten, etwa dass sie Kinder hat, sich ansonsten aber eher für unspektakulär hält, seit sie sich nicht mehr mit "Lyrik" auseinandersetzen kann: "Lyrik ist etwas für Betreuungspflichtlose ohne Mietkostensorgen!"
Im Laufe des Stücks scheint der Ausweg an die Oberfläche wieder möglich zu sein, aber auch plötzliche Sprachlosigkeit und ein Gartenroboter begleiten Nives auf ihrem Weg. Schlussendlich kommt auch die Erzählerin ob ihrer Beobachtungen ins Zweifeln, woran auch Juno nicht unschuldig ist.
Bei "Marillenmassaker" handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem "Fluss des Lebens" einer Person (einer Frau) in einer Zeitspanne von ein paar Tagen oder Wochen. Es geht Caroline Hofer bei dem Stück einerseits um das kurze Innehalten im Alltag, andererseits um das Immer-weiter-Machen, um das Getrieben-Sein, um die Überforderung durch Neue Medien, um die Erwartungen der Gesellschaft an Frauen und um das Eigene-Bedürfnisse-Stillen.
"Marillenmassaker". Von Caroline Hofer. Mit Swintha Gersthofer, Naemi Latzer, Daniela Golpashin, Christian Erdt, Klaus Höring, Martina Spitzer, Babett Arens und Clara Hauptmann-Hofer, Tongestaltung: Anna Kuncio, Manuel Radinger und Elmar Peinelt, Komposition: Florian Kmet, Regie: Caroline Hofer (ORF 2025)