Doris Schretzmayer über Geschichten, die wir uns erzählen

10. Dezember 2025, 06:57

Mitten in der Dunkelheit des Dezembers, da wo wir jetzt sind, eine kleine persönliche Rückschau auf die vergangenen Monate zu halten, könnte die Zukunft verändern, denn ich könnte in diesen letzten 21 Tagen des Jahres noch Perspektiven wechseln und neue Standpunkte entdecken, nicht erst auf den letzten Drücker zu Silvester.

Das Jahr ist noch nicht vorbei, man könnte einen Fehltritt korrigieren, einen längst fälligen Besuch nachholen, ein paar Trainingseinheiten einplanen, oder diesen einen Schrank aufräumen, sich doch noch das trauen, was man schon ewig rausschiebt. Oder endlich einfach fünf grade sein lassen, bevor in drei Wochen das Jahr 2025 Geschichte ist. - Apropos Geschichte: Welche Geschichten werde ich von und über 2025 erzählen? An welche Geschichten werde ich mich erinnern? Wer kommt darin vor, wer nicht mehr, an welchem Ort, was hatte ich an, was habe ich gesagt, was lieber nicht, worum gings?

Wenn ich jetzt mit der Zeitmaschine in den, sagen wir mal, Mai 2027 reisen würde, was würde dann von diesem Jahr noch so wichtig sein, dass ich mich anderthalb Jahre später noch erinnere oder davon erzähle? Wird es dieselbe Version der Geschichte sein, wie ich sie jetzt, an diesem 10. Dezember 2025 berichte? Wie wird sich die Story im Laufe der kommenden Monate verändern, darf oder soll sie eine andere werden? Oder ist sie in Stein gemeißelt, im wortwörtlichen Sinn, wie die Inschrift auf einem Grabstein.

Aber auch da ist der Mensch, von dem ich mich verabschieden musste wie die Geschichten, die mich mit ihm verbinden - nicht endgültig. Woran wollen wir uns erinnern, was wollen wir einander erzählen? Immer wieder steht es uns frei, in feinen Nuancen diese Wahl zu treffen - nicht nur in der fragilen Verbindung mit den Toten, sondern auch mit den vielen Quicklebendigen.

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