Opus - das Musikkolloquium
Vier Schriftstellerinnen und ihre Musiken
"Musik überschüttete uns wie eine Flut": Die vier Schriftstellerinnen Else Lasker-Schüler, Marina Zwetajewa, Virginia Woolf und Inger Christensen und ihr Bezug zur Musik
6. Jänner 2026, 15:05
Musik ist im Werk der Lyrikerin Else Lasker-Schüler (1869-1945) allpräsent: "Du spieltest ein ungestümes Lied" heißt es etwa in "Fortissimo", und im frühexpressionistischen "Mein Tanzlied": "Aus mir braust finstre Tanzmusik". Ihr berühmtestes Gedicht "Mein blaues Klavier", entstanden nach der Flucht aus Nazideutschland, hält die heraufziehende Apokalypse der Zeit fest: Das Klavier im Dunkel der Kellertür, einst von "Sternenhänden" gespielt, wird nun vom "Geklirr" der Ratten beherrscht. Kein Zufall, dass die Texte Else Lasker-Schülers vielfach vertont wurden, etwa von Paul Hindemith, Wolfgang Rihm, Hans Werner Henze oder Karlheinz Stockhausen.
Auch für die russische Dichterin Marina Zwetajewa (1892-1941) war Musik prägend. Im Essay "Mutter und Musik" beschreibt sie ihre eigene Begegnung mit Musik als ekstatische Erfahrung: "Mutter - überschüttete uns mit Musik. Aus dieser Musik, die sich in Lyrik verwandelte, sind wir nie wieder herausgekommen - ans Tageslicht! Mutter - überschüttete uns wie eine Flut." Beethoven, Schumann, Schubert und Mozart verstand Marina Zwetajewa als das "unsterbliche spirituelle Prinzip" ihres eigenen künstlerischen Schaffens, darüber hinaus begeisterte sie sich für Chopin und Paganini. Was das musikalische Schaffen ihrer Landsleute betrifft, so bevorzugte sie Zeitgenossen wie Alexander Skrjabin, Sergej Prokofjew, Igor Strawinsky und Dmitri Schostakowitsch. Letzterer vertonte auch eine Reihe von Zwetajewa-Gedichten.
Die englische Schriftstellerin Virginia Woolf (1882-1941) wiederum verstand Literatur selbst als musikalische Struktur. Ihre Bücher stellte sie sich als Musik vor; für ihre Romane spielte Musik als Organisationsprinzip eine zentrale Rolle. Als junge Frau besuchte Woolf beinahe täglich die Oper in Covent Garden, ihre Lieblingskomponisten waren Bach, Mozart, Beethoven and Wagner. Besonderes Interesse galt aber der zeitgenössischen Musik, wie jener von Igor Strawinsky und Arnold Schönberg, darüber hinaus pflegte sie Freundschaften u.a. mit Nadia Boulanger und Ethel Smyth.
Bei der dänischen Autorin Inger Christensen (1935-2009) gaben schließlich mathematische Strukturen wegweisende Anregungen: die Frage, wie sich der Einzelne gegenüber einer als Chaos empfundenen Wirklichkeit verhält, beantwortet sie mit dem Prinzip der Fibonacci-Folge - jener unendlichen Folge von natürlichen Zahlen, in der sich die jeweils nächste Zahl aus der Summe der beiden vorherigen Zahlen bildet. Diese Reihe liegt auch zahlreichen zeitgenössischen Kompositionen zugrunde. Christensens poetisch-evokative Serie des Gedichtbands "Alfabet" (1981) beschäftigt sich mit Gegensätzen, ihr mehrere hundert Seiten langes Großgedicht "Det" spielt mit einem Ordnungsmuster, das durch die Zahl Acht vorgegeben ist. Nicht zufällig wurden die Texte von Inger Christensen von einer Reihe zeitgenössischer Komponistinnen aufgegriffen.
Sendereihe
Gestaltung
- Erich Klein
- Marie-Therese Rudolph
