Radiokolleg

Radiokolleg - Das Ringen um den Öffentlichen Raum

Erosion und Rückeroberung (1). Gestaltung: Brigitte Voykowitsch

Die Agora des antiken Griechenlands war nicht nur der zentrale Markt-, Versammlungs- und Festplatz einer Stadt. Sie galt auch als wichtiges Merkmal der Polis. Kurz, die Öffentlichkeit benötigt auch ihre öffentlichen Räume. Wer aber entscheidet darüber, wie die öffentlichen Räume in den Städten gestaltet und genutzt werden? Die Frage ist akut geworden, seit die urbanen Räume in zunehmendem Maße privatisiert, kommerzialisiert und "eventisiert" werden. Das heißt, Plätze und Orte, die lange für die Allgemeinheit frei zugänglich waren, werden immer öfter für Events - kulturelle, sportliche oder andere kommerzielle Veranstaltungen - genutzt.

Parallel dazu nimmt die Überwachung des öffentlichen Raumes zu. Gegen diese Erosion - oder oft auch einfach die Vernachlässigung - des Öffentlichen organisieren sich inzwischen immer mehr Bürgerinitiativen. Sowohl der reale als auch der virtuelle Raum sind Austragungsorte gesellschaftspolitischer Artikulierungsprozesse und als solche unverzichtbar. Doch die Privatisierung schreitet voran, im virtuellen Raum besteht nicht einmal das Konzept von Bürgerrechten. Der Kampf um den Gezi-Park in Istanbul zeigt, wie eng Raum und (nicht)demokratische Politik miteinander verbunden sind. In Kairo erfüllte der Tahrir-Platz im Zuge der Arabischen Revolution eine historisch bedeutende Rolle von Plätzen - nämlich die Austragung politischer Konflikte.

Ob am Esquilin in Rom, in den Städten von Brasilien, auf der Schmelz in Wien oder in Graz - überall ringen Bürger/innen um neue Konzepte für den öffentlichen Raum und das Miteinander in den Städten. Das bedeutet auch eine bewusste Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Interessen und Konfliktpotentialen. Manche Initiativen sprechen von der "offenen" Stadt. Sie wollen den politischen, kreativen und lebendigen Möglichkeitsraum Stadt aufrechterhalten.

Service

Richard Sennett: "Verfall und Ende des öffentlichen Lebens: Die Tyrannei der Intimität". Taschenbuch Verlag Berlin 2008

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