„Ich bin eine zutiefst überzeugte Frauenpolitikerin“
Journal zu Gast: Barbara Prammer
Das Parlamentsjahr ist zu Ende. In nur drei Plenartagen wurden noch 30 Gesetze beschlossen. Ein fast zu dichtes Programm. Nationalrats-Präsidentin Prammer begründet das mit der Regierungsumbildung bei der ÖVP. Sie fordert eine Änderung der Bundeshymne und nimmt Stellung zum Tod von Otto Habsburg.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 09.07.2011
Andreas Jölli
30 Gesetze im Schnelldurchlauf
Mit einem Beschluss-Reigen verabschiedete sich gestern der Nationalrat in die Sommerpause. Insgesamt hat der Nationalrat im Parlamentsjahr 2010/2011 96 Gesetze verabschiedet. Etwa ein Drittel der heuer verabschiedeten Gesetze, nämlich mehr als 30, wurden in den vergangenen drei Parlamentstagen beschlossen. Darunter der Ortstafel-Kompromiss, das Pflegepaket oder das neue Ökostromgesetz. „Wir haben nichts durchgepeitscht, es war kein Monsterprogramm, es war normales Programm gegen Jahresende“, verteidigt Nationalratspräsidentin Barbara Prammer die Regierung.
Dass so viele Gesetze quasi im letzten Moment verabschiedet wurden hänge mit der Regierungsumbildung bei der ÖVP zusammen, erklärt Prammer. Prammer sieht darin aber kein Problem. Die neuen Regierungsmitglieder hätten sich erst mit schon in Arbeit befindlichen Gesetzesmaterien einarbeiten und mit jeweiligem Regierungsgegenüber verhandeln müssen, erklärt Prammer.
Heimat bist du großer Töchter, Söhne
Hinter den Kulissen sorgte allerdings auch ein Beschluss für Aufregung, der nicht erfolgte. Die Spitze der ÖVP-Frauen verfasste in einer Geheimaktion gemeinsam mit SPÖ und Grünen einen Antrag auf Änderung des Textes der Bundeshymne. Statt "Heimat bist du großer Söhne" soll es künftig "Heimat großer Töchter, Söhne" heißen. Im Plenum vortragen wollte ihn Ex-Frauenministerin Maria Rauch Kallat in ihrer Abschiedsrede im Parlament. Allein: Es kam nicht mehr dazu, weil männliche Mitglieder von Rauch Kallats eigener Partei die Redezeit für den ÖVP-Klub überzogen hatten. Der Antrag wurde nun schriftlich eingebracht.
„Die Bundesregierung könnte das ganz rasch machen, noch heuer“, ärgert sich Prammer im Ö1-Journal-zu-Gast-Interview. Allerdings scheiterte schon Prammers Parteikollegin und jetzige Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek mit dem Vorhaben, den Text der Bundeshymne zu ändern, am Widerstand der ÖVP-Männer. „Immer wenn wir das Thema der Bundeshymne ansprechen, kommen Argumente wie: Habt ihr keine anderen Sorgen? Sind das wirklich die Probleme der Frauen? Es ist die Zeit gerade nicht reif“, ärgert sich Prammer, „dabei wäre es ein ganz wichtiges Signal an die Frauen.“
Bundespräsidentin Prammer?
Bei den letzten Bundespräsidenten-Wahlen unterstützte Prammer ihren SPÖ-Parteikollegen Heinz Fischer. Mittlerweile wird sie selbst immer wieder als nächste Präsidentschaftskandidatin der SPÖ genannt. Auf die Frage, ob eine Kandidatur für sie vorstellbar wäre, antwortet Prammer ausweichend: „Ich brauch‘ mir nicht etwas zu überlegen, was in fünf Jahren vielleicht stattfinden kann.“
Keine Sehnsucht nach Monarchie
Der Tod von Otto Habsburg, des älteste Sohn des letzten österreichischen Kaisers, hat bei Prammer „Mitgefühl“ ausgelöst, aber „nicht mehr und nicht weniger“. Das Thema Habsburg sei 1918 beendet worden, sagt Prammer, die politische Realität sei die moderne Demokratie.
Während Prammer an den Trauerfeierlichkeiten für Habsburg nicht teilnehmen wird, stoßen die Trauerfeierlichkeiten bei der Bevölkerung auf reges Interesse. Die österreichische Motivforscherin Helene Karmasin sprach kürzlich sogar von „einer starken Sehnsucht nach der Monarchie“ bei der Bevölkerung. Die Fernsehübertragungen der royalen Hochzeiten aber sah sich sogar Prammer an. „Man schmunzelt ein wenig, findet es amüsant“, so die Nationalratspräsidentin, aber: „Wir sind eine tief verankerte Republik, da brauchen wir uns auch keine Sorgen zu machen.“
Transaktionssteuer: „Man muss einen Zahn zulegen“
Prammers Parteichef, SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann, tritt zwar immer wieder für eine EU-weite Finanztransaktionssteuer ein, also eine Steuer entrichtet von Bankern, Brokern und Spekulanten auf ihre Geldgeschäfte. Allerdings hält Faymann nichts von einem Veto, um die Transaktionssteuer durchzusetzen, wie es der oberösterreichische SPÖ-Chef Josef Ackerl vor kurzem vorschlug. Konkret schlug Ackerl vor, die österreichische Bundesregierung solle wichtige EU-Entscheidungen blockieren, wenn nicht endlich die Transaktionssteuer komme. Nach Ackerls Vorstellungen sollte die Bundesregierung beispielsweise die Zustimmung zu weiteren Hilfen für das finanzmarode Griechenland an die Einführung einer Transaktionssteuer knüpfen.
Prammer hält von dem Vorschlag wenig: „Man muss auch an die griechische Bevölkerung denken, das Stichwort Solidarität ist für mich ein sehr wichtiges.“ Allerdings findet auch Prammer, dass die EU beim Thema Transaktionssteuer „einen Zahn zulegen muss“. Prammer ist zuversichtlich, dass Transaktionssteuer bald kommen wird, nachdem die EU-Kommission und Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Steuer bereits in ihr Programm aufgenommen haben.
„Sonst würden wir auf der Straße stehen“
Seit Jahren wird über einen Umbau des Parlaments gesprochen. Mittlerweile sei dieser Umbau dringend notwendig, sagt Prammer. „Das wird geschehen müssen, spätestens 2015 laufen uns wesentliche Bewilligungen aus und dann würden wir auf der Straße stehen.“
Die Ausschreibung für den Generalplaner wird im kommenden Jänner erfolgen, Ende 2013 sollen dann die Planungsergebnisse vorliegen. Die Renovierung des Parlaments dürfte zwischen 260 und 300 Millionen Euro kosten. Als Ausweichquartier während der Bauphase wird den Parlamentariern wahrscheinlich die alte, ebenfalls abgewohnte Wirtschaftsuniversität in Wien dienen.