Nationalratspräsidentin "zornig"
Prammer: Fremdenrecht überprüfen
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) teilt die Ansicht von Bundespräsident Fischer, dass Kinder in Gefängnissen nichts zu suchen hätten. Sie fordert jetzt, dass das Fremdenrecht auf Herz und Nieren durchleuchtet wird. Auch Verfassungsgerichtspräsident Holzinger fordert Änderungen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 15.10.2010
Prammer "hat es fast satt"
Es sind ungewöhnlich emotionale Worte - die Nationalratspräsidentin regiert ungewöhnlich emotional, wenn man sie nach ihrer Meinung zu den jüngsten Abschiebefällen fragt: "Ich bin schon sehr, sehr ungeduldig mittlerweile, um nicht zu sagen zornig, weil ich es schon fast satt habe, ständig in Debatten mit involviert zu werden, die man sich ersparen könnte, wenn eines geschehen würde: die Evaluierung des Fremdenrechts."
"Bundesregierung ist gefordert"
Diese Evaluierung oder Analyse des Fremdenrechtes sollte von einer Gruppe unabhängiger Expertinnen und Experten durchgeführt werden. Sie sollten sowohl die Gesetze, als auch die Vollziehung dieser Gesetze genau durchleuchten. "Die Bundesregierung wäre gefordert, eine derartige Evaluierung in Auftrag zu geben", so Prammer. Sie sehe sehr viele Ungereimtheiten im Vollzug, die einerseits Härten provoziere, andererseits auch den Ruf nach gesetzlicher Novellierung. "Und ich bin es mittlerweile leid, diese Debatte ständig so führen zu müssen. Ich will Fakten auf den Tisch."
Kinderrechte in Verfassung
In einem Punkt ist sich Prammer aber auch ohne Evaluierung sicher: Sie teilt die Meinung des Bundespräsidenten, dass Kinder nicht ins Gefängnis gehören. Es sei höchste Zeit, die UNO-Kinderrechte-Konvention wieder ins Plenum zu bringen. Mit der Aufnahme in die Verfassung wäre ein Punkt jedenfalls klarer. Aber gelöst wäre dadurch gar nichts, gibt auch Prammer zu.
Kein "Durchblick" mehr
Was genau anders werden soll, lässt Prammer offen, sie will zuerst die geforderte Evaluierung des Fremdenrechtes abwarten. "Ich weiß nicht, wer noch den Durchblick hat. Ich gestehe ehrlich, ich habe ihn oft nicht mehr. Das kann doch für niemanden hilfreich sein - weder für die Behörden, schon gar nicht für die Betroffenen und es ist auch eine Zumutung für die Bevölkerung."
Nein zu "Amnestie" für Asylwerber
Wäre für sie eine generelle "Amnestie" für jene Asylwerber vorstellbar, die schon sehr lange in Österreich sind? Dass diese Menschen alle bleiben dürfen? Hier kommt ein "Nein" von Prammer: Das habe einen Schönheitsfehler, nämlich "die Frage der Kriminalität, die immer auftauchen kann und insofern muss man natürlich differenzieren." Zudem erneuert Prammer die Forderung nach einem eigenen Staatssekretariat für Integrationsfragen, allerdings ist hier die ÖVP dagegen.
Kritik auch vom Höchstrichter
"Sehr betroffen über diese Vorfälle" bezeichnet sich auch der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Gerhart Holzinger, über die aktuellen Abschiebungsfälle, bei denen Kinder von uniformierten Polizisten abgeholt worden sind bzw. werden sollten. Es gebe in Österreich eine Kluft zwischen dem Grundsatz, dass die Menschenrechte gewahrt werden müssen, und der Praxis polizeilichen Handelns: Er habe den Eindruck, dass der Einsatz der Polizeikräfte "unangemessen und überzogen" gewesen sei, so Holzinger. "Und das schmerzt mich."
Hofft auf geänderte Polizeipraxis
Die Polizei habe in jedem demokratischen Rechtsstaat eine wichtige Funktion, so auch in Österreich. Und genau deshalb sei es umso wichtiger, dass zwischen effizientem Polizeihandeln und der Wahrung der Grundrechte, vor allem von besonders schutzbedürftigen Kindern, kein Gegensatz entstehe. Aber: "Dass man bei Kindern nicht mit dem Einsatz einer ganzen Reihe von Uniformierten tätig werden kann, das hat schon nichts mehr mit Wahrung der Menschenrecht zu tun, sondern das sollte eigentlich in einem zivilisierten Staat eine Selbstverständlichkeit sein." Holzinger hofft "so bald wie möglich" auf Änderungen in der Polizeipraxis.