Modell Sitzen für den automatischen Komponisten

Maschine, Musik und Methode

Der Rockstar Pete Townshend und der Komponist und Mathematiker Lawrence Ball präsentierten letzte Woche in London "The Method", eine Software, die unter Verwendung individueller Daten per Mausklick musikalische Porträts kreiert.

Pete Townshend erklärt die Funktion von The Method

Passanten der Popkultur wird Pete Townshend vor allem als der zornige Mann mit der langen Nase bekannt sein, der bei The Who immer seine Gitarren zerschlug, aber unter den großen britischen Rockstars der ersten Generation spielte der ehemalige Kunstschüler immer schon die Rolle des intellektuellen Außenborders. Nicht einmal seine eigene Band wollte ihm folgen, als er 1971 ein Projekt namens "Lifehouse" präsentierte: eine Mischung aus Science Fiction und gruppendynamischem Experiment rund um die Idee eines zukünftigen elektronischen Informationsnetzwerks namens "The Grid", das erstaunliche Ähnlichkeiten mit dem heutigen Internet aufwies.

Townshend wollte die Grenzen zwischen Publikum und Band auflösen, indem er einen Computer erträumte, der die persönlichen Charakteristika der Zuhörer in elektronische Musik verwandeln könnte. "Der Großteil der Presse hielt mich damals für verrückt", sagt der 61-Jährige heute, "Vielleicht nicht ganz zu unrecht, denn damals konnte ich noch nicht tun, was ich heute kann."

Software erstellt musikalische Porträts

Tatsächlich brauchte er zur Verwirklichung seiner jugendlichen Ideen die Hilfe des Komponisten und Mathematikers Lawrence Ball und des Programmierers David Snowdon. Die beiden bastelten 14 Jahre lang an einem komplexen Kompositionsprogramm, das sich ideal mit der Lifehouse-Idee verkoppeln lässt. Ergebnis dieser Symbiose ist eine Software namens The Method, die aus persönlichen Daten automatisch musikalische Porträts herstellt.

Wie Lawrence Ball vergangenen Mittwoch bei der Präsentation des Programms in Pete Townshends Londoner Studio erklärte, bedarf es dabei allerdings nicht der Sorte Daten, die der Big-Brother-Gesellschaft von Nutzen sein könnten. Wer der Maschine Modell sitzt, stellt ihr ein Foto seiner Wahl und drei verschiedene Klänge (Stimme, Geräusch beziehungsweise Ton und einen getappten Rhythmus) zur Verfügung, aus denen Kriterien zur Auswahl von Tempi, Instrumenten und sich dynamisch verändernder melodischer Mustern errechnet werden.

Start am 1. Mai

Zur praktischen Demonstration baten Ball und Townshend den BBC-Mann John Pidgeon als Versuchskaninchen auf die Bühne, und nach ein paar Minuten am Laptop spuckte The Method tatsächlich ein erstaunlich unterhaltsames Stück Musik aus.

Ab 1. Mai wird The Method über die Website http://www.lifehouse-method.com öffentlich zugänglich und - zumindest für die ersten drei Monate - gratis verwendbar sein. Jeder "Sitter" kann drei persönliche Porträts anfertigen lassen und als frei verfügbare MP3-Datei herunterladen.

Sterben Komponisten aus?

Aus den so entstehenden Musikstücken wollen Townshend und Ball auch ein paar Beispiele zur weiteren kompositorischen Verarbeitung auswählen und so den Kreis vom menschlichen Input via Computer zum menschlichen Feedback schließen.

Der offensichtlichen Frage, ob The Method nicht das Aussterben des Komponisten beschleunige, setzte Townshend schlagfertig provokant entgegen: "Im Gegenteil. Wir schaffen viele, viele neue Komponisten." Ob die Musikstücke den Porträtierten auch gefielen, sei ihm als Künstler im Übrigen vollkommen egal.

Hör-Tipp
Leporello, Montag, 30. März 2007, 7:52 Uhr

Links
The Lifehouse Method - online ab Dienstag, 1. Mai 2007
The Lifehouse Method - Hörproben
eelpie.com - Pete Townshends Online-Shop