Kein Film ohne Lieder
Panindischer Soundtrack
Musik und Tanz sind nicht nur ein wichtiger Teil der traditionellen indischen Theaterformen, sie sind auch ein wesentliches Element indischer Filme. Zur weltweiten Vermarktung der Streifen wurde dann der diffamierende Begriff "Bollywood" erfunden.
8. April 2017, 21:58
Mit Filmen wie "Kabhi Khushi Kabhie Gham" (In guten wie in schweren Zeiten), "Lagaan" oder "Dilwale Dulhaniya Le Jayenge" (Der Beherzte wird die Braut mitnehmen) hat das indische Mainstream-Kino in den letzten Jahren auch in Mitteleuropa Fans gefunden. Als Bollywood - das Hollywood von Bombay - wird dieses Kino heute häufig bezeichnet.
Diffamierender Begriff
So manche Inder sind mit diesem Namen gar nicht zufrieden, denn die in der indischen Handels- und Finanzmetropole Bombay angesiedelte Filmindustrie ist nicht nur so alt und so groß wie Hollywood, sie hat sich auch erfolgreich gegen Hollywood behaupten können. Der indische Film ist zudem eine ganz eigenständige Form und zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus: die zahlreichen Lied- und Tanzsequenzen sowie die melodramatische Inszenierung.
Getrennte Welten
Viele Lieder sollen dabei nicht nur unterhalten. Sie erzählen die Geschichte weiter. Statt in Form eines Dialogs werden vor allem romantische Gefühle oder tiefe und nur schwer in Worte fassbare Gemütsbewegungen durch Lieder ausgedrückt. Die Lieder werden von Tanzeinlagen begleitet. Während die Filmschauspieler aber selbst tanzen, singen sie nicht selbst, sondern machen lediglich die den Liedtexten entsprechenden Lippenbewegungen. Die Songs werden von professionellen Sängern aufgenommen, die ihrerseits nicht im Film auftreten. Manche dieser Playback-Sänger bleiben über Jahrzehnte hinweg im Geschäft und werden zu großen Stars.
Kollektive Tagträume
Häufig ist von der Traumfabrik Bollywood die Rede, und nicht alle meinen das positiv, doch hinter der bunten, prächtigen Fassade spiegeln die indischen Filme stets auch Aspekte der sozialen Realität wider, manchmal erzählen sie auch politisch brisante Geschichten. Daher beschäftigen sich zahlreiche Akademiker - von Kulturwissenschaftern über Soziologen bis hin zu Psychologen - mit dem Bombay-Kino.
Panindische Popkultur
Der indische Mainstream-Film hat nach Ansicht von Experten ganz wesentlich zur Herausbildung einer panindischen Populärkultur beigetragen. Bollywood ist dabei nicht nur ein neuer Name für die bald 100 Jahre alte Filmindustrie von Bombay, Bollywood steht auch für den Kult, der um diese Filmindustrie getrieben wird, mit der Vermarktung von CDs, DVDs, Videokassetten, eigenen Hitparaden mit Hindi-Filmsongs, Shows mit Auftritten von Filmstars und in allerjüngster Zeit eine Art von Bollywood-Musical oder Indien-Shows mit Bollywood-Elementen, wie etwa "Bharati", das im Vorjahr auch in Wien zu sehen war.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 26. bis Donnerstag, 29. März 2007, 9:45 Uhr
Buch-Tipps
Myriam Alexowitz, "Traumfabrik Bollywood. Indisches Mainstream-Kino", Horlemann-Verlag, ISBN 9783895021701
Claus Tieber, "Passages to Bollywood. Einführung in den Hindi-Film", Lit-Verlag, ISBN 978825898274
Rachel Dwyer, "Filming the Gods: Religion And Indian Cinema: Religion and Indian Cinema", Routledge, ISBN 9780415314251
Vijay Mishra, "Bollywood Cinema: Temples of Desire", Routledge, ISBN 9780415930154
Ravi S. Vasudevan (ed), "Making Meaning in Indian Cinema", Oxford University Press, ISBN 9780195658675
CD-Tipps
50 Glorious Years Vol. 1-5, Emi; The Gramophone Company of India, CDF 130077
The best of Shah Rukh Khan, Emi: CDF 130162
Bunty aur Babli, Musik: Shankar Ehsaan-Loy, YRM-CD 90006
Kabhi Alvida Na Kehna, Music: Shankar Ehsaan-Loy, Sony: AW-C0248
Devdas, Musik: Ismail Darbar, Universal 067 248-2
Dil Se, Music: A. R. Rahman, Venus: VCDSP-772
Roja, Music: A. R. Rahman, Magnasound C4USO722