Mit einer Dahabeeyah unterwegs auf dem Nil

60 cm Tiefgang

Die "Giraffa" wurde 1840 für betuchte Reisende gebaut und als Segelboot auf dem Nil eingesetzt. Sein neuer Besitzer hat es mit viel Kosten und Aufwand restauriert und vermietet es nun als exklusives Kreuzfahrtschiff zwischen Luxor und Assuan.

Es schien uns, dass die Dahabeeyah durch ihre flache und leichte Bauweise das ideale Schiff war, um auf dem Nil zu navigieren. Außerdem war es problemlos wieder flott zu machen, sollte es einmal auf Grund laufen. Wenn ich mich zwischen einer Dahabeeyah und einem Dampfer zu entscheiden hätte, wäre das ungefähr so wie die Wahl zwischen einer Postkutsche und einer Lokomotive. Mit dem einen Transportmittel reist man teuer und angenehm, mit dem andern billig, schnell und ohne großen Komfort. Kurz gesagt: Wer sich mit einem flüchtigen Blick auf den Nil zufrieden gibt, für den ist zweifelsohne das Dampfschiff die richtige Wahl.

Diese Erfahrung gab die englische Reiseschriftstellerin Amelia Edwards 1877 den Lesern im Vorwort ihres Buches "1000 Meilen entlang des Nil" weiter. Im Alter von 42 Jahren war sie nach Ägypten gekommen, um ein Buch über ihre Reise auf dem längsten Fluss der Erde zu schreiben. Natürlich wollte sie mehr als nur einen flüchtigen Blick auf den Nil erhaschen und entschied sich daher für eine Fahrt just auf jener Dahabeeyah, die heute wieder einem exklusiven Publikum zur Verfügung steht. Der ägyptische Dandy Künstler und Maler Mohamed el Saidi hat das 1840 auf den Namen "Giraffa" getaufte Segelschiff mit viel Kosten und Aufwand restauriert und vermietet es nun als exklusive Segelyacht zwischen Luxor und Assuan.

Erfüllter Lebenstraum

Der hoch gewachsene Eigner Mohamed el Saidi steht rauchend an der Reling am Oberdeck. Eben hat ein Diener gekühlten Hibiskustee den Gästen als Willkommenstrunk gereicht. Sein Blick schweift Richtung Festland, hinaus in die gleißende Hitze, wo die Wüste wie ein endloser Teppich gen Westen rollt. Wenn er die Segel der "Giraffa" setzen lässt, fühle er sich buchstäblich so, wie sich einst ein König zu Zeiten der Pharaonen gefühlt haben muss, schwärmt el Saidi voller Enthusiasmus.

Mit dem Ankauf der maroden "Giraffa" vor einigen Jahren und ihrer aufwendigen Restaurierung hat sich el Saidi einen lang ersehnten Wunschtraum erfüllt. Mittlerweile haben einige Reiseveranstalter diese Marktnische entdeckt und chartern das Schiff wochenweise für kleine Reisegruppen.

Zwei in den Himmel ragende Holzmasten, je einer am Bug und am Heck des Seglers, mit ausladenden, so genannten Lateinersegeln, charakterisieren das typische Erscheinungsbild einer Dahabeeyah. Unter Deck, wo einst die Mannschaft untergebracht war, hat el Saidi acht in Holz getäfelte Doppelkabinen und eine Suite eingerichtet - mit Dusche, Toilette und Stromanschluss. Davor eine geräumige Bar, die Schiffskombüse und zwei spartanische Mannschaftskabinen.

Geräumiger ist es am weiß gestrichenen Oberdeck. Korbsesseln mit bequemen Sitzpolstern laden zum Müßiggang, wie schon Ende des 19. Jahrhunderts, zu jener Zeit also, als Amelia Edwards auf dem Nil unterwegs war.

Glücklich all jene, die ihre Nilreise mit gutem Wind an einem schönen Nachmittag beginnen. Das Boot bahnt sich stetig seinen Weg, vorbei an uferseitig gelegenen Palästen und Gärten. Wir sitzen in bequemen Club-Sesseln am Oberdeck, das mit fremdländischen Teppichen belegt ist: Ein Salon im Freien. Wir genießen die Fernsicht.

Man hat Zeit
Die Aufzeichnungen von Amelia Edward sind ausgezeichnete Wegbegleiter auf der Reise mit der "Giraffa". Der Segler scheint keinen festen Fahrplan zu haben und bringt seine Passagiere auch zu jenen Orten und Sehenswürdigkeiten, die in keinem der gängigen Reiseprospekte stehen. Die meisten Reisenden genießen vor allem den Müßiggang und die Ruhe an Bord, den Blick auf vorbeiziehende Felder, Lehmhütten, im Nil badende Kinder und Wasserbüffel im Schilf.

Die Stunden verrinnen wie in Zeitlupe und nur der tiefe Sonnenstand kündigt das bevorstehende Ende eines langen Tages an. In der anbrechenden Dämmerung wird die Dahabeeyah am Ufer vertäut. Jetzt schlägt die Stunde des Chefkochs Hassan, der in kaum mehr als einer knappen Stunde eine typisch ägyptische Delikatesse für seine Gäste bereitet hat: gebratene und mit Reis gefüllte Tauben. Getafelt wird an Land unter sternklarem Firmament, Fackelbeleuchtung und heimischer Rotwein inklusive.

Hör-Tipp
Ambiente, Sonntag, 4. März 2007, 10:06 Uhr

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