Sonja Bettel über elektronisches Energiesparen

Bleibt zu Hause!

Alle reden vom Klimawandel und was man dagegen tun kann. Die Lösung ist einfach: bleibt zu Hause, ihr habt doch Internet! Das ist DIE Lösung, wenn es ums Energiesparen und Klimaschonen geht! Außerdem könnten sie den Pyjama anbehalten.

In meinem elektronischen Briefkasten landen durchschnittlich 2.000 Nachrichten pro Monat, etwa 70 Prozent davon will ich weder haben noch brauche ich sie - auf gut Neudeutsch ist das also Spam.

Nun bin ich vielleicht ein besonderer Fall, weil eine meiner E-Mail-Adressen noch aus der grauen Vorzeit des Internet-Zeitalters stammt, also aus einer Zeit, in der man sich gefreut hat, wenn man überhaupt jemandem ein mail schreiben konnte (weil kaum jemand E-Mail hatte) und seine Adresse großzügig in die Welt hinausposaunt hat. Man kann aber sicher davon ausgehen, dass mindestens die Hälfte dessen, was jeden Tag in der Welt herumgeschickt wird, absolut niemand braucht.

Abgesehen davon, dass das extrem nervt, weil die Spammer nicht nur meine diversen Mailboxen zumüllen, sondern auch noch mein Blog und manchmal sogar Papierspam vor meine Haustür werfen, obwohl da ein Pickerl draufklebt: "Bitte kein Reklamematerial!".

Dieser Spam verbraucht Strom zum Herstellen und Verschicken, die Provider müssen neue Server und Switches anschaffen, die Datenleitungen müssen dicker ausgelegt werden, das alles muss unter Verbrauch von Rohstoffen und Energie hergestellt werden - und ich verbrauche Energie, um den ganzen Müll wieder zu entfernen. Ich finde, hier gäbe es großes CO2-Einsparungspotential.

Und weil wir schon dabei sind: Warum fahren die Leute vor meinem Fenster eigentlich alle mit dem Auto auf und ab, machen dabei Lärm, verursachen Abgase und Feinstaub und verbrauchen Treibstoff? Können die sich nicht E-Mails schreiben (kein Spam!), chatten oder mit ihren Freunden in Second Life ein Bier trinken gehen? Dann bräuchten sie sich auch nicht um die neueste Mode kümmern, sondern den Pyjama anbehalten, das würde eine Menge Energie für die Herstellung, den Transport und den Strom in den Geschäften sparen.

Überhaupt muss man nicht so viel Shoppen gehen, da kauft man eh nur unnötiges Zeug, das keiner braucht und das wieder Energie und Rohstoffe verbraucht. Wenn man nicht mehr dauernd im öffentlichen Leben unterwegs ist, muss man auch keine gespoilerten Autos kaufen, keinen Schmuck und keine glitzernden Handys - wieder Energie gespart! Wer unbedingt irgendwas repräsentieren möchte, kann sich ja die neuesten Features auf seiner Website zulegen oder sein virtuelles Haus im Karomuster anmalen - je nachdem, was dann gerade Mode ist in der virtuellen Welt.

In Summe müsste man damit auch eine Menge Geld sparen, was bedeutet, dass man nicht mehr so viel arbeiten muss - und das könnte man großteils ebenfalls übers Internet erledigen. Es ist überhaupt komisch, dass so viele Menschen jeden Tag in die Arbeit pilgern, obwohl sie dort auch nur wieder vor dem Computer sitzen - da hätten sie ja gleich daheim bleiben können. Okay, nicht jede/r hat einen Computer und Internet, aber mit einer Sozialpönale für unsinniges Herumfahren oder unsinniges Produzieren von nicht benötigten Gütern könnte man das locker für jeden Haushalt finanzieren und den Online-Support noch dazu.

Was braucht der Mensch sonst noch? Ach ja, Essen. Na gut, das muss produziert werden, aber mit weniger Verkehr und weniger Shopping-Malls müssten eine Menge Flächen für die Nahrungsmittelproduktion frei werden - sogar mitten in der Stadt. Damit hätten die nunmehr Freizeit-Überhäuften auch eine sinnvolle Tätigkeit, falls es ihnen im virtuellen Raum doch einmal zu langweilig werden sollte.

Also, die Sache ist klar: Das Internet ist DIE Lösung, wenn es ums Energiesparen und Klimaschonen geht! - Obwohl: Es hat uns doch Spam beschert...

Sonja Bettel ist Wissenschaftsjournalistin und Producerin der Ö1 Sendung "Matrix"

Mehr zu früheren Ausgaben der Netzkultur in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 18. Februar 2007, 22:30 Uhr

Übersicht