Keine weitere Vertragsverlängerung

Holender winkt ab

Staatsoperndirektor Ioan Holender hat alle Diskussionen über die mögliche Verlängerung seines Vertrages um ein weiteres Jahr beendet. Er sehe sich außerstande, in der verbleibenden Zeitspanne eine der Qualität des Hauses entsprechende Planung zu ermöglichen.

Er wird nach Ende seiner Ära als der längst amtierende Direktor der Wiener Staatsoper seit Eröffnung des Hauses 1869 in deren Annalen eingehen: Ioan Holender wurde 1992 an die Spitze des Hauses am Ring berufen, mehrfach verlängert und verlässt diesen Posten nach eigener Ankündigung am 30. August 2010. Damit wird Holender, eine der schillerndsten und einflussreichsten Persönlichkeiten des Wiener Kulturlebens, genauso lang im Amt gewesen sein wie Gustav Mahler und Herbert von Karajan zusammen.

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Springer nicht überascht

"Nicht überrascht" von der Entscheidung des Staatsoperndirektors Ioan Holender, für eine Verlängerung seines Vertrags nicht zur Verfügung zu stehen, ist der Geschäftsführer der Bundestheater-Holding, Georg Springer. Holender habe seit längerem die Meinung vertreten, dass die Planungszeit für die Saison 2010/11 nicht ausreiche. Springer selbst habe zwar "eine andere Meinung vertreten, aber ich verstehe Holenders Position, sein subjektiver Zugang läuft anders", so der Holding-Chef.

Springer wolle jedoch "ausdrücklich festhalten, dass es bereits eine Tradition war, den neuen Direktor mit einem Vorlauf von mindestens drei Jahren zu bestellen - nicht weil es immer so war, sondern aus Sachzwang". Holender übergebe in jeder Hinsicht ein "Schmuckkästchen an seinen Nachfolger, dessen Einstieg sicher viel leichter sein wird als Holenders 1991", so Springer.

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Wechselvolle Karriere

Der am 18. Juli 1935 im Timisoara (Rumänien) geborene Holender hatte einen keineswegs geradlinigen Werdegang, über den er ausführlich in seiner 2001 im Böhlau Verlag erschienen Autobiografie berichtet. Holender studierte an der Technischen Universität seiner Heimatstadt Maschinenbau, bis er 1956 aus politischen Gründen vom Studium ausgeschlossen wurde. Drei Jahre später verließ er seine Heimat Richtung Wien. Dort arbeitete Holender zunächst als Tennistrainer, als Statist am Burgtheater, als Regieassistent an der Volksoper und als Regisseur an Wiener Kleinbühnen.

Mit einem Stipendium der Stadt Wien konnte er ein Gesangsstudium am Konservatorium der Stadt aufnehmen. Von 1962 bis 1966 war er als Opernbariton und Konzertsänger tätig, nach seinem Debüt in St. Pölten u.a. zwei Jahre am Stadttheater Klagenfurt.

1966 trat Holender als Mitarbeiter in die Theateragentur Starka ein. Holender machte aus der traditionellen Schauspieleragentur, die er später als Inhaber weiterführte, die größte Künstler- und vor allem Sängeragentur Österreichs, die viele internationale Topstars vertrat. 1988 verkaufte Holender seine Agentur, denn eine neue Aufgabe lockte: Eberhard Waechter hatte ihm angeboten, mit ihm in die Direktion von Staats- und Volksoper einzutreten.

Die Ära Holender
Nach Waechters plötzlichem Tod 1992 führte er die beiden Häuser alleine auf ihrem Reformkurs weiter: Einsparungen sollten den Repertoirebetrieb langfristig sichern, die Ausgliederung und Reorganisation der Bundestheater und die danach knappen Budgets mussten bewältigt werden. Sein Gespür für Stimmen und junge Talente kam ihm dabei immer wieder zu Gute. Meilensteine seiner Direktionszeit sind u.a. die drei Uraufführungen von Adriana Hölszkys "Die Wände" (1995, Koproduktion mit den Festwochen), Alfred Schnittkes "Gesualdo" (1995) und die Cerha/Turrini-Oper "Der Riese vom Steinfeld" (2002).

Gefragter Berater
Seine Erfolge in kaufmännischer Sicht, etwa bei Karteneinnahmen, Eigendeckungsanteil und Sitzplatzauslastung, sind so beachtlich, dass Holender auch als Berater für die Reorganisation der Berliner Opernszene geholt wurde. Auch mit seinen Initiativen zur Unterstützung osteuropäischer Opernhäuser weist Holender weit über seine eigentliche Wirkungsstätte hinaus - wie auch in so manchen Fragen der heimischen Kulturpolitik. Nicht nur diese weiß er oft mit spitzer Zunge zurechtzuweisen - Kritik am Opernball übt Holender ebenso öffentlich wie an beleibten Sängerinnen oder Society-Protagonisten.

In jüngster Zeit wurde die budgetäre Situation für die Staatsoper immer schwieriger, und in der Saison 2005/06 hat die Staatsoper erstmals seit der Ausgliederung negativ bilanziert. Dennoch hatte Holender immer wieder signalisiert, auch noch für die Spielzeit 2010/11 bereit zu stehen, sollte dies für die Direktorenfindung nützlich sein. Nun jedoch hat Holender diese Option beendet. Im August 2010 endet die Ära Ioan Holender.

Reaktionen aus der Politik

Eine "Öffnung des Hauses für neue Besuchergruppen" erwartet sich die für die Bundestheater zuständige Unterrichtsministerin, Claudia Schmied (SPÖ), für die Zeit nach Ioan Holender. Schmied fordert laut einer Aussendung des SPÖ-Pressedienstes am Rande des Ministerrates von der künftigen Leitung die "Fortsetzung des künstlerischen Top-Niveaus" und betont: "Wir möchten in Zukunft das Haus für neue gesellschaftliche Gruppen öffnen."

Auch der ehemalige Bundeskanzler und nunmehrige ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel hat sich zur Bekanntgabe Holenders geäußert und sein "großes Bedauern" ausgesprochen. "Holender hat die Opernlandschaft insbesondere im deutschsprachigen Raum maßgeblich geprägt und ist im Reigen der namhaften Operndirektoren, die dieses Haus gesehen hat, eine glückhafte Erscheinung", sagte Schüssel laut Aussendung.