Der weibliche Widerstand in der NS-Zeit

Am Ende des Weges

"Am Ende des Weges" ist der Titel der Forschungsarbeit von Karin Nusko. Sie untersucht die letzten Briefe von hingerichteten Widerstandskämpferinnen in Wien. Auch in der Steiermark werden nun in einem neuen Projekt Briefe aus der Todeszelle erforscht.

Die wohl extremste Situation sei, wenn man den Tod vor Augen habe - wenn man jung sei und die eigene Hinrichtung unmittelbar bevorstehe, sagt Karin Nusko. Sie hat die Briefe von Widerstandskämpferinnen, die im Landesgericht Wien in den Jahren 1941 bis 1943 hingerichtet wurden, bearbeitet - die letzten Briefe an die Angehörigen.

"Diese Briefe haben mich sehr betroffen gemacht, sie haben eine unglaublich direkte Wirkung. Mir geht es darum, das individuelle Schicksal der Widerstandskämpferinnen deutlich zu machen", so Nusko.

Jung, weiblich, kommunistisch

Die Briefe werden zum Teil im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes aufbewahrt. Dort sind nicht nur Briefe von Frauen - im Gegenteil, es sind sogar mehr Briefe von Männern. Werden doch 80 Prozent des Widerstands den Männern zugeschrieben. Er wurde aber wesentlich stärker von Frauen getragen, als das in der Forschung bis vor kurzem noch dokumentiert wurde. Obwohl der österreichische Widerstand durch alle politischen und konfessionellen Lager ging, haben alle Frauen, die Karin Nusko näher untersucht hat, der KPÖ angehört, die in Österreich seit Mai 1933 verboten war. Frauen, die in politischen Gruppen aktiv waren, waren vor allem dem kommunistischen Widerstand angeschlossen.

Im Landesgericht Wien wurden in den Jahren des Nationalsozialismus - also zwischen 1938 und 1945 - rund 1.200 Menschen hingerichtet, 93 davon waren Frauen. In ganz Österreich waren es rund 2.700 Österreicherinnen und Österreicher, die in Gerichtsverfahren wegen aktiver Widerstandstätigkeit zum Tode verurteilt und auch hingerichtet wurden. 16.500 Menschen, die Widerstand geleistet hatten, sind in Konzentrationslagern ermordet worden.

Forschungslücke Steiermark

Es gibt noch große Lücken in der Widerstandsforschung. Während sich das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes in Wien seit den 1970er Jahren mit dem Thema befasst, ist in Graz lange Zeit nichts passiert: es gab zunächst kein Zeitgeschichte-Institut und dann waren andere Themen drängender: Ob Kunstraub oder Zwangsarbeiter, der Fokus war ein anderer, meint der Historiker Heimo Halbrainer. Er hat in dem Buch "In der Gewissheit, dass ihr den Kampf weiterführen werdet" im Verlag Clio zahlreiche Briefe veröffentlicht.

Neues Projekt
Mittlerweile gibt es jedoch ein eigenes Forschungsprojekt zu Widerstand und Verfolgung in der Steiermark, Halbrainer gehört zu der Forschungsgruppe, die sich mit Alltag, Widerstand und Verfolgung auseinandersetzt. Mit 1. Jänner 2007 hat ein Projekt begonnen, das vom Zukunftsfonds und dem Land Steiermark finanziert und auf zwei Jahre angelegt ist, und das sich mit dem "kleinen Widerstand" und oppositionellem Verhalten beschäftigt.

Lexikon über Frauen im Widerstand

Heimo Halbrainer hat sich mit dem Widerstand von Frauen in der Steiermark besonders intensiv auseinandergesetzt - eine Publikation darüber ist in Vorbereitung. "Es fällt vor allem eines auf: Frauen waren nicht in führender Position im Widerstand tätig. Das verwundert, denn schließlich gab es immer wieder große Verhaftungswellen, wo man vermuten könnte, dass Frauen in Führungspositionen nachrückten. Das war aber nicht der Fall." Halbrainer schätzt, dass 25 Prozent der Widerstandskämpfer Frauen waren. Um die Frauen mehr ins öffentliche Bewusstsein zu bringen, will Karin Nusko ein Lexikon über Frauen im Widerstand herausbringen.

Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 21. Februar 2007, 19:05 Uhr

Buch-Tipps
Karin Nusko, "Am Ende des Weges. Letzte Briefe von hingerichteten Widerstandskämpferinnen im Landesgericht Wien (1941-1943). Endbericht an den Theodor Körner Fonds"

Heimo Halbrainer, "In der Gewissheit, dass ihr den Kampf weiterführen werdet. Briefe steirischer WiderstandskämpferInnen aus Todeszelle und KZ", Verlag Clio, ISBN 3950097112

Margarete Schütte-Lihotzky, "Erinnerungen aus dem Widerstand. Das kämpferische Leben einer Architektin von 1938-1945", Promedia Verlag, ISBN 3900478805

Links
Alfred-Klahr-Gesellschaft - Heimo Halbrainer
Arbeiterkammer - Theodor-Körner-Fonds
Dokumentationsarchiv des österr. Widerstands