Steuerklima für Ausländer und Firmen zu mild?
Schweizer Steuerstreit mit der EU
Die Schweiz ist nicht nur für ihre Alpengipfel, feinen Banken und für ihre gute Schokolade bekannt, sondern auch für das äußerst milde Steuerklima. Was die Schweizer Steuerbehörden freut, ärgert aber zunehmend die EU-Nachbarländer.
8. April 2017, 21:58
Außenministerin Micheline Calmy-Rey verteidigt sich
Die Schweiz bietet iyllische Landschaften, eine hohe Lebensqualität und viel Diskretion im Umgang mit Prominenz. Doch nicht nur deswegen ist sie ein Lieblingsziel für ausländische Superreiche. Was betuchte Zuzüger besonders anzieht, ist vor allem auch das milde Steuerklima. So haben etwa Stars wie Phil Collins, Tina Turner oder Udo Jürgens und Promis aus der Sportwelt wie Boris Becker und Michael Schumacher längst ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegt.
Reiche Ausländer profitieren von niedrigen Steuerpauschalen. Das bedeutet, dass sie nicht nach ihrem tatsächlichen EInkommen und Vermögen besteuert werden, sondern nach ihrem Aufwand in der Schweiz. Als Faustregel gilt der fünffache Mietwert der Wohnimmobilie. Einzige Voraussetzung: Die Betroffenen müssen sechs Monate pro Jahr tatsächlich in der Schweiz wohnen und dürfen dort nicht erwerbstätig sein.
Französischer Aufruhr und Gegenoffensive
Durch die Begünstigungen in Sachen Steuerpauschalen mehren sich zunehmend die Misstöne aus dem Ausland. Seit dem kürzlichen Umzug des französischen Altrockers Johnny Hallyday in den Schweizer Nobelort Gstaad sind die eidgenössischen Ausländerpauschalen in Frankreich Wahlkampfthema. "Wer sein Land liebt, zahlt seine Steuern hier", mahnt etwa der sozialistische Parteichef Francois Hollande. Der sozialistische Abgeordnete Arnaud Montebourg, wirft der Schweiz gar "raubtierhafte Praktiken" vor.
Bei den Eidgenossen sorgen solche Aussagen wiederum für Proteststürme. Außenministerin Micheline Calmy-Rey richtet den Franzosen aus, dass die Schweiz mit ihrem Steuersystem legitimen Standort-Wettbewerb betreibe und im übrigen keine Ratschläge von außen brauche: "Ich denke, man sollte uns mit mehr Respekt begegnen. Die Schweiz ist der zweitwichtigste Kunde der EU und wir geben 100.000 französischen Grenzgängern Arbeit. Außerdem haben wir mit der EU ein Zinsbesteuerungsabkommen unterzeichnet. Wir sind wohl das einzige Land der Welt, das die Ersparnisse von EU-Bürgern im Land besteuert und diese Einnahmen an die EU zurücküberweist. Immerhin waren das letztes Jahr 300 Millionen Euro."
Kritik auch in den eigenen Reihen
Tatsache ist jedenfalls: Im Jahr 2004 profitierten 3.600 Personen von einem Pauschalsteuer-Abkommen. Bund und Kantone nahmen dadurch weniger als 200 Millionen Euro ein - kein großer Brocken. Trotzdem wäre es falsch, darauf zu verzichten, schreibt die wirtschaftsliberale Neue Zürcher Zeitung. Immerhin würden die gut situierten Ausländer von Luxusgütern bis zu teuren Wohnungen nur konsumieren, dem Staat aber nicht zur Last fallen.
Aber nicht nur in den angrenzenden EU-Ländern sorgen die Steuerprivilegien für betuchte Ausländer für Kritik. Auch unter den Eidgenossen verursachen sie zunehmend Unbehagen. So kritisieren die Sozialdemokraten die Ausländerpauschalen seit Jahren als unfair. Sie wollen noch vor den Parlamentswahlen im Herbst eine Volksinitiative für faire Steuern lancieren. Auch die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren diskutiert, ob pauschal besteuerte Ausländer künftig stärker zur Kasse gebeten werden sollen. Ob sich die 26 Kantone auf eine Anhebung des Minimalsteuersatzes einigen können, ist aber ungewiss.
EU-Streitpunkt Holdingsteuern
Kritik aus dem Ausland kommt aber nicht nur wegen der Steuerprivilegien für reiche Ausländer. Seit Monaten schwelt auch ein Streit mit der EU um die Holdingsteuern in einigen Kantonen. Holding- und Verwaltungsgesellschaften profitieren von Erleichterungen bei den Gewinnsteuern. Wohl ein Mitgrund dafür, dass sich allein in den letzten zwei Jahren 1.000 neue ausländische Unternehmen in der Schweiz niedergelassen haben.
Erst vor kurzem kündigte der US-Nahrungsmittelriese Kraft Foods an, seine Europazentrale nach Zürich zu verlegen, wodurch auch die berühmte Toblerone wieder in die Schweiz zurückkehrt. Auch der Internet-Suchdienst Google will den Standort Zürich massiv ausbauen. Andere internationale Konzerne wie Pfizer oder Gillette sind längst von der EU in die Schweiz gezogen.
Dem will Brüssel nun nicht länger zusehen. Die Holdingsteuer-Privilegien seien nicht mit dem Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU vereinbar, kritisiert die EU-Kommission. Stimmt nicht, argumentiert die Schweiz; diese Steuerpraktiken hätten nichts mit dem Abkommen zu tun.
Kämpferische Töne der Eidgenossen
Die Forderungen aus Brüssel sorgen jedenfalls in der Schweiz weiterhin für rote Köpfe. Die EU-feindliche rechtskonservative Schweizer Volkspartei etwa gibt sich kämpferisch. Sie will, dass die Milliarden schwere Aufbauhilfe für Osteuropa, die erst vor kurzem vom Stimmvolk abgesegnet wurde, an Bedingungen geknüpft wird. Die EU müsse zuerst das Schweizer Steuersystem anerkennen.
Wie es im Steuerkonflikt weitergeht, ist unklar. Einfach aussitzen wird die Schweiz den Streit kaum können, zu eng sind die wirtschaftlichen Beziehungen mit der EU. Zudem könnte diese den Konflikt künftig als Druckmittel verwenden, wenn die Eidgenossen neue Abkommen mit Brüssel abschließen wollen. Und da stehen einige an, zum Beispiel im Strombereich. Vielleicht wird sich die Schweiz deshalb im Steuerstreit doch noch verhandlungsbereit zeigen. Auch wenn die Außenministerin betont, dass es dafür keinen Spielraum gibt.
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Wikipedia - Schweiz