Kultobjekt, Umweltverpester, Fortbewegungsmittel

Autofahrer unterwegs

Es wird verflucht, wenn man im Stau steckt, geliebt, wenn man mit offenem Verdeck eine Küstenstraße entlang rollt: das Auto. Es ist Statussymbol oder einfach Fortbewegungsmittel, egal, besungen wird jede Variante der Erlebnisse mit und im Auto.

Das Auto als Statussymbol: Ist das nicht eher eine männliche Angelegenheit? Ist es Zufall, dass es auffallend viel mehr von Männern gesungene Songs zu diesem Thema gibt? Aber auch Frauen besingen den Wunsch nach das Ansehen förderndem Luxus auf vier Rädern, obwohl da sicher eine gute Portion Ironie mitschwingt.

"Bitte Herrgott, hab ein Einsehen, ich verlange ja gar nicht viel, kauf mir einen Farbfernseher, oder zahle wenigstens die nächste Runde." Janis Joplin wünscht sich aber vor allem einen Mercedes Benz.

Cooler Caddy

Wenn Autos besungen werden, dann sind das - wenn überhaupt - wohl nur in Ausnahmefällen kostengünstige Kleinwagen, praktische Familienkutschen, umweltschonende Hybridautos oder gar solarbetriebene Ökofahrzeuge. Der Popsong unternimmt seine Spritztouren lieber glamourös und exklusiv.

Besonders oft taucht da ein ganz bestimmter Schlitten auf, ein typisch amerikanischer: der Cadillac. Ob die Titel nun heißen "Heaven Is In The Back Seat of My Cadillac" oder "Pink Cadillac" oder "Love In A Cadillac" oder "Bring back the Cadillac" oder "Cadillac Hotel". Liebevoll oft nur Caddy genannt, bietet dieser Wagen offensichtlich ganz besonders viele Projektionsflächen für Klischees, Mythen, Märchen und deshalb auch Lieder.

Bo Diddley aber weiß, dass auch ein Cadillac nur dann etwas hermacht, wenn er im entscheidenden Moment auch anspringt, sonst machen sich Willy und Lilly über dich lustig, so Bo Diddley. Der C-A-D-I-L-L-A-C bricht ihm fast das Herz, aber als er dann doch noch losfährt, drückt er ganz besonders wild aufs Gas.

Cruising in the USA

Wo, wenn nicht in Kalifornien kann man auf vier Rädern unübertroffen cruisen, die Küste entlang, Santa Barbara, Santa Monica, Venice Beach, Dockweiler Beach, und dazu braucht man "This Car of Mine", besungen von den Beach Boys, und 1964 wird dann auch besungen, wohin man am besten fährt mit seinen Liebsten, dem Mädchen und dem Auto, nämlich ins "Drive-In".

Schon zwei Jahre davor definieren die Beach Boys, mit welchem Gerät man das am stilvollsten macht: mit einer der Urmütter der Muscle Cars, einer Chevrolet 409, noch kein sichtbares Kraftpaket, sondern eine elegante Limousinen-Schönheit.

Auf der Leinwand

"Geliebte Freundin" ist der Titel eines deutschen Films, für den ein besonderer Schlager entstand: "Mein Auto kann schön singen" lässt uns da Johannes Heesters in seiner grandios geschmeidig hohen Stimme wissen. Auch hier wird die heilige Dreieinigkeit zelebriert: Mann, Frau, Auto. Oder besser: Auto, Mann, Frau.

"Chitty Chitty Bäng Bäng" - ja, klar, ein Kinderfilm, mirakulös, wundervoll erfinderisch im Wortsinn der Handlung, aber man sollte nicht vergessen, dass die ersten Minuten dieses Films schlicht mit Autorennen vergehen, mit deren Faszination, deren Gefährlichkeit und der Grandiosität des Gewinnens. Und dann: vergessen und verrottet, das wunderbare Gefährt, bis es Frankenstein-artig zu neuem Leben erweckt wird. Und dabei stottert es vorerst noch ein wenig - was ihm den Namen gab.

Unmoralische Angebote

Das Auto als funktionales Gerät: Da ist in den Songs selten die Fortbewegung gemeint, eher die Anbahnung der Fortpflanzung. Und solch Anbahnung kann auch grässlich schiefgehen. Davon erzählt Richard Perry: In der Bar hat er ein Mädchen aufgegabelt. Sobald sie sich in seinem Auto befindet, geht's nur noch ums - sagen wir es vornehm - ums Näherrücken, doch Strophe für Strophe will sie nicht, was zweierlei bewirkt: zum einen diesen immer wiederkehrenden unglaublichen Schmerzensruf des gekränkten Ego-Mannen und zum anderen den mit "Get Out Of My Car" eingeleiteten Refrain.

Die Sprache des Blues ist so unverfroren direkt, selbst und gerade in ihren Metaphern, wie nur möglich, und das trifft selbstverständlich auch auf jene Texte zu, die vorgeblich vom Autofahren handeln. Völlig unverblümt, wenn Smiley Lewis von "Too Many Drivers At The Wheel" singt, und nicht weniger deutlich aus der Perspektive des anderen Geschlechts, wenn Memphis Minnie von "Me and My Chauffeur" singt und ihren Chauffeur darin beschwört, nicht auch noch andere Girls zu irgendwelchen Rides einzuladen.

Potente Fahrer

Man erkennt schon die Potenz des Wagens, sieht große Nüstern an der Frontpartie, mächtig breite 19-Zoll-Räder und das straffere, um fünf Zentimeter verlängerte Heck.

Ein Zitat, nicht aus einem Männermagazin, sondern aus der deutschen Wochenzeitung "Der Spiegel", aus einem Artikel zum Pariser Autosalon 06. Das Auto als Symbol für Potenz - finanzielle, sexuelle. Und wenn jemand singt, du kannst mein Auto fahren, dann hat dieses nette Angebot vielleicht einen durchaus sexuellen Subtext. Aber wer weiß, vielleicht war's auch ganz unschuldig gemeint von den Beatles.

Hör-Tipp
Spielräume, Samstag, 6. Jänner 2007, und Sonntag, 7. Jänner 2007, 17:30 Uhr

Link
Wikipedia - Automobil