Tom Reynolds' Hassobjekte

Die deprimierendsten Songs aller Zeiten

In seinem Buch "I hate myself and want to die" führt der amerikanische Autor Tom Reynolds die "52 deprimierendsten Songs aller Zeiten" an. Melodien, die einer ganzen Generation nicht mehr aus dem Kopf zu schlagen sind - was Reynolds aber gern täte.

Der Soundtrack zum Buch

Die angeblich deprimierendsten Songs aller Zeiten hat Tom Reynolds kommentierend versammelt: Popsongs wie "In the year 2525", die Jahrzehnte lang in den Radiostationen der Welt auf- und abgespielt wurden. Melodien, die mehreren Generationen von Radiohörern nicht mehr aus dem Kopf zu schlagen sind.

Aber genau das, das Aus-dem-Kopf-Schlagen, möchte der amerikanische Autor, Musiker und Fernsehproduzent Tom Reynolds gern tun. Reynolds ist jemand, von dem wir in Europa noch wenig gehört haben, aber er hat ein Buch geschrieben: "I hate myself and want to die, die 52 deprimierendsten Songs aller Zeiten".

Schaurige Geschichte

Mit dabei: Ray Peterson. Er erreichte 1959 in den USA Platz 1 der Hitparade mit "Tell Laura I love her". Die schaurige Geschichte von einem dummen Jungen, der sich das Geld für den Verlobungsring ausgerechnet bei einem Autorennen verdienen will und dabei verunglückt.

Tom Reynolds' Kommentar: "Dass er auf der Rennbahn verkohlt ist, hat Laura vor einer Zukunft mit einem leichtsinnigen Idioten bewahrt. Ray Peterson schluchzt so übertrieben artikuliert, dass er wie Eliza Doolittle klingt, die 'Es grünt so grün' einübt."

Der letzte Kuss

In der Kategorie "Ich starb als Teenie bei einem Autounfall" lässt Reynolds hingegen den Titel "Last Kiss" gelten, geschrieben 1964 von dem Rockabilly-Sänger Wayne Cochran. Pearl Jam kamen damit 1998 an die Spitze der US-Charts.

"Der Song hat genau das richtige Maß an Pathos, während der seltsam fröhliche Beat die traurige Geschichte konterkariert. 'Tell Laura I love her' sieht daneben wie ein unreifes Melodram aus und wirkt heute nur noch kitschig. 'Last Kiss' hingegen hat etwas Zeitloses, das sogar die grantigen Jungs von Pearl Jam einfangen konnten", schreibt Reynolds. "Es tat gut, zu hören, dass Pearl Jam-Sänger Eddie Vedder tatsächlich einen Song singen konnte, ohne wie ein Lastwagenfahrer nach einer zahnärztlichen Narkosespritze zu klingen."

Perfekt gemachte Stücke

Das ist ein typisches Kompliment von einem, dem es schwer fällt, Komplimente zu machen. Aber an solchen Sätzen erkennen wir, dass Autor Tom Reynolds in seine Auswahl der 52 deprimierendsten Songs aller Zeiten doch Titel übernommen hat, die ihm insgeheim eigentlich ziemlich gut gefallen.

Was er da für sein Buch versammelt, sind ja auch, bei aller Trivialität, perfekt gemachte Stücke. Das deprimierendste an ihnen ist in Wahrheit, dass sie Ohrwürmer sind, die wir stundenlang nicht aus unseren Ganglien hinaus bekommen.

Verlorene Selbstachtung

Nächstes Beispiel: "It must be him". Aus einem warmen Streicherteppich schwingt sich die Stimme von Vikki Carr empor. Sie spielt eine Frau, die sich selbst davon zu überzeugen versucht, dass sie die Beziehung mit Herrn Lahmarsch allmählich entsorgen sollte. Aber kaum läutet das Telefon, ist alle Selbstachtung dahin.

"Wenn man einen Song sucht, der jede Feministin dazu bringt, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen und sich hinterher garantiert im Grabe umzudrehen", so Reynolds, "dann ist 'It must be him' die ultimative Hymne dafür."

Im Jahr 2525

Auch ein so genanntes Protestlied ist in der Sammlung vertreten. "In the year 2525" von und mit Zager and Evans, ein großer Erfolg aus dem Jahr 1969. "Die Zahl 2525 deutet auf die intellektuellen Kapazitäten der beiden Hippies hin, die dieses deprimierende Stück zu Gehör brachten: Ein IQ von 25 bei Zager und ein ebensolcher bei Evans", ätzt Reynolds. "Unglaublicherweise erreichte der Song sogar Platz eins der Charts, was vermutlich mit dem schlechten LSD zu tun hatte, vor dem auch in Woodstock gewarnt wurde.“

In the year 2525 erzählt in Tausender-Schritten von den Schrecken der Zukunft. Im Jahr 3535 müssen die Leute eine Pille einwerfen, um richtig denken zu können. Reynolds: "Mein Gott, diese Pille nehme ich jetzt schon ständig, das Zeug heißt Prozac."

Föten im Reagenzglas

Und was kommt 6565? Interessant: Föten im Reagenzglas. Da muss doch, aber wiederum erst tausend Jahre später, Gott einschreiten und alles nochmals von vorn anfangen.

Die Katastrophenszenarien dieses 37 Jahre alten Songs sind praktisch schon alle eingetreten. Und trotzdem geht es uns doch noch ganz gut.

Hör-Tipp
Spielräume Spezial, Sonntag, 31. Dezember 2006, 17:05 Uhr

Buch-Tipp
Tom Reynolds, "I Hate Myself And Want To Die. Die 52 deprimierendsten Songs aller Zeiten", Schwarzkopf & Schwarzkopf, ISBN-13 9783896026934