Das Martyrium einer türkischen Ehe

Türkinnen als Gewaltopfer

Viele der Klientinnen der Kriseninterventionszentren sind Mädchen und Frauen, die aus der Türkei kommen. Zwangsverheiratungen haben Folgen. Und fern der Heimat kommen viele Männer mit ihren Begriffen von Tradition noch weniger zurecht.

Stimmen über türkische Zwangsehen

Um Traditionen zu bewahren, werden auch in Österreich Türkinnen oft mit türkischen Familienangehörigen verheiratet. Doch Zwangsverheiratungen haben Folgen. Und fern der Heimat kommen viele Männer mit ihren Begriffen von Tradition noch weniger zurecht.

Wehrlos ausgeliefert

"Er hat mich fast täglich geschlagen. Überall hin, wo er mich gerade getroffen hat." Jahrelang erduldete Aischa das Martyrium ihres gewalttätigen türkischen Ehemannes.

In den letzten 15 Tagen ihrer Schwangerschaft habe er sie auch auf den Bauch getroffen. Die zierliche Türkin bekam Blutungen. Ob ihre Tochter deswegen zu früh auf die Welt kam, weiß sie nicht. "Wenn ich daran denke, weine ich innerlich noch immer", sagt sie leise.

Hoffnungslos im Stich gelassen

Aischas Umgebung stellte sich blind und taub. "Die Nachbarn haben jeden Tag alles gehört", aber niemand habe sie vor ihrem Ehemann beschützt. Anfangs habe sie gedacht, mit ihrem Mann habe sie das große Los gezogen: "Er war so süß," verdreht die Türkin die Augen. Täglich habe er sie von der Arbeit abgeholt, habe ihr Kosenamen gegeben; sogar Gedichte schrieb er für sie.

Doch nach der Hochzeit war er plötzlich wie ausgewechselt: "Kurz danach hat er angefangen, mich zu schlagen." An ihr ließ der Mann seine Launen aus. Das erste Mal habe er sie geschlagen, weil sie beim Frühstück das Ei vergessen habe. "Ich dachte, das wird mein ganzes Leben so sein. Ich hatte keine Hoffnung mehr."

Vom Regen in die Traufe

Zurück ins Elternhaus konnte sie nicht. Dort schlug ihr Vater ihre Mutter. Nach drei Ehejahren in der Türkei wanderte ihr Ex-Mann nach Österreich aus. Zwei Jahre ließ er sie allein in der Türkei. Mit 22 Jahren folgte sie ihm dann nach Österreich. Hier sei es noch schlimmer geworden:

"Er hat hier andere Frauen gehabt. Ich war nichts mehr wert". Aischas Lippen zittern, als sie sich erinnert. "Einmal wollte ich eine Kugel Eis haben. Er hat mich gefragt, ob ich ihn ruinieren will." Dann setzte es wieder Schläge. Aischa bemühte sich, es ihm recht zu machen. Sie habe gedacht, vielleicht würde er dann aufhören, sie zu prügeln. "Doch egal, was ich gemacht habe, wie sehr ich mich bemüht habe. Es hat ihm nie gepasst."

Drohende Ausweisung

Nach drei weiteren Jahren bringt es Aischa fertig, den Qualen ein Ende zu bereiten. Doch damit waren die Ängste noch lange nicht ausgestanden: Nach der Trennung habe sie weder eine Niederlassungs- noch eine Beschäftigungsbewilligung gehabt. In ihrem Postkasten war ein Brief der Fremdenpolizei: die Ausweisung.

"Bei Gericht sagte mir dann der Richter, wenn ich ausgewiesen werde, bekommt der Mann die Obsorge für meine Tochter. Das war das Schlimmste für mich." Aischa wandte sich an das Zentrum für Migranten in Tirol.

Neues Leben

Die Betreuer dort unterstützten sie rechtlich, halfen ihr, ein neues Leben aufzubauen. Gemeinsam mit ihrer Tochter. Heute sagt Aischa: "Ich lebe, und ich bin drauf gekommen, wie stark ich bin."

Ihre Tradition sieht sie jetzt anders. Die Menschen seien von der ottomanischen Kultur noch sehr geprägt. Frauen hätten keinen Wert. Der Mann sei das Wichtigste.

Doch Aischa appelliert: "Man muss mit der Zeit mit gehen." Sie könne die Frauen zwar verstehen, denn eine geschiedene Frau gelte in ihrem Kulturkreis als Nutte. Aber: "Die Frauen sollen ja nicht denken, ohne Mann können sie nicht leben."