Ölspuren auf hoher See

Satellitennutzung gegen Umweltverschmutzung

Für manche Schiffseigner und Kapitäne sind Mittelmeer, Nord- oder Ostsee einfach Sudelbecken, in die sie ihr altes Maschinenöl gratis entsorgen können. Die EU hat ein System entwickelt, um die Öko-Sünder mit Satellitenhilfe aufzuspüren.

9000 Fälle von Ölverschmutzung hat die "Gemeinsame Forschungsstelle der EU" allein auf Archivbildern entdeckt, die in den Jahren 1999 bis 2004 von Satelliten aufgenommen wurden. Diese Ölflecken markieren die europäischen Haupt-Schiffahrtsrouten.

Das wäre zum Beispiel die Route von Calais nach Dänemark in der Nordsee, in der Ostsee etwa der Schifffahrtsweg von Deutschland bis in die Finnische Bucht, im Mittelmeer ist Italien von Ölverschmutzungen umzingelt, aber auch die spanische Mittelmeerküste zeigt sich auf den Karten der Gemeinsamen Forschungsstelle dunkel, ebenso wie das östliche Mittelmeer.

Das Meer muss in Bewegung sein

Öl lässt sich am Meer deshalb aufspüren, weil es die Wellen leicht glättet. Im Mikrowellenbild hebt sich die ölverschmutzte Fläche daher von der Umgebung ab - allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. "Das Meer muss in Bewegung sein", wie Dario Tarchi vom EU-Institut für die Sicherheit und den Schutz des Bürgers in Ispra sagt. Weht der Wind aber zu stark - über 18 Meter pro Sekunde, dann werden die Ölschlieren zerstört, und die Verschmutzung ist auch aus dem Weltraum nicht mehr zu sehen.

Darüber hinaus gibt es Phänomene auf dem Meer, die - aus dem All betrachtet - Ölfilmen ähnlich sehen. Deshalb analysieren die Experten der Gemeinsamen Forschungsstelle auch die Form der vermeintlichen Verschmutzung und simulieren mit Hilfe von Wind- und Strömungsdaten die Veränderung des Umrisses.

Trefferquote 85 Prozent

Derzeit liegt die Trefferquote des satellitengestützten Systems (MDIV) bei etwa 85 Prozent. Die Bilder kommen vor allem von ENVISAT, dem europäischen Umweltsatelliten, der seit 2002 um die Erde kreist.

Das erste Ziel der Forscher um Dario Tarchi war es, überhaupt einmal zu überprüfen, ob das Problem der Ölverschmutzung auf europäischen Meeren erheblich ist und wo sich die Problemzonen befinden.

Als Reaktion auf die Daten haben EU-Behörden zum Beispiel veranlasst, dass Schiffe ihr Altöl in den Häfen ohne zusätzliche Gebühren deponieren können. Dennoch: Aus Zeitgründen lassen viele Kapitäne den gefährlichen Abfall dann doch lieber auf hoher See ins Wasser.

Auch als Frühwarnsystem tauglich

Frankreich reagierte schnell auf die Verschmutzungskarten der Gemeinsamen Forschungsstelle. Es rief an seiner Mittelmeerküste um Korsika herum und bis Sardinien großräumig ein Naturschutzgebiet aus - unter Androhung entsprechender Strafen für Öko-Vergehen.

Das Resultat: "Unsere Analysen haben klar gezeigt, dass die Ölverschmutzungen infolge eines normalen Schiffsbetriebs in der Schutzzone stark zurück gingen. Außerhalb davon sind die Ölfilme hingegen leicht mehr geworden", berichtet Dario Tarchi. Die Schiffe haben ihre illegale Ölentsorgung also aufs offene Meer verlagert.

Das System wurde in der Adria auch schon als Frühwarnsystem getestet, um damit einerseits Ölfilme zu beseitigen, bevor sie sensible Küstenstriche verschmutzen, und andererseits die Umweltsünder am besten noch auf frischer Tat zu ertappen. Das geht allerdings nur mit Flugzeugen, die schnell beim Schiff sind.

Strafen nur in der Zwölf-Meilen-Zone

In der Nordsee werden Flugzeuge längst im Routinebetrieb zur Umweltüberwachung eingesetzt. Andere Staaten wie Italien kontrollieren nur ihre Hoheitsgewässer mit Booten und kümmern sich wenig, was außerhalb passiert. Auch Strafen können die Staaten nur innerhalb ihres Territoriums aussprechen - auf See meist eine Zone, die zwölf Meilen aufs offene Meer hinaus reicht.

Wird ein Verschmutzer auf hoher See ertappt, während er seine Tanks flutet oder das Maschinenöl ablässt, sind die Behörden relativ machtlos. Sie können das Schiff nur seinem Flaggenstaat melden. Meist ohne Konsequenzen.

Schiffe sind seit einiger Zeit - so wie Flugzeuge - mit Transpondern ausgestattet. Damit kann man sie auf dem Radar eindeutig identifizieren. Dario Tarchi möchte die Positionsdaten aus dem terrestrischen Radar in Zukunft mit den Satellitendaten verbinden. Denn durch die Verbindung von Schiffsdaten und Satellitenbildern ließen sich Verschmutzungen viel leichter den Verursachern zuordnen. Von der EU gibt es deshalb Pläne, das satellitengestützte Verfahren europaweit einzurichten.

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Hör-Tipp
Dimensionen-Magazin, Freitag, 15. Dezember 2006, 19:05 Uhr

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Links
IPSC - Institut für den Schutz und die Sicherheit des Bürgers
JRC - Karten der Öl-Meeresverschmutzung 2004 (PDF)
SERAC - Karten der Ölverschmutzung