Die Königin des Mikrofons

Greta Keller

Sie sang Musical neben Fred Astaire, konzertierte mit Peter Kreuder und Peter Igelhoff, machte Aufnahmen mit Jimmy und Tommy Dorsey ebenso wie mit Theo Mackeben. Greta Keller, geboren 1903, war eine Wanderin zwischen Kontinenten und Musikstilen.

Vor einigen Jahren tauchten die ersten Greta Keller-Schallplatten auf. Eine weiche, dunkle Frauenstimme sang amerikanische Songs. Es schienen Liebeslieder, gerade für den gesungen, der eben vor dem Grammophon saß. Diese Stimme streichelte alle Sorgen und Leiden weg. Grammophonspielen ist für viele Leute nicht bloß Vergnügen, sondern Medizin gegen schlechte Laune, gegen revoltierende Nerven. Und Greta Keller ist die beste Medizin.

So schrieb das “Wiener Tagblatt“ 1931. Greta Keller, die Wienerin des Jahrgangs 1903, war ein internationaler Star, ehe sie 30 war. Sie trat in New York der Depressionsjahre auf, im im Bann der Olympiade stehenden Berlin, in Paris, London und fallweise auch in ihrer Geburtsstadt. Ein Kritiker erfand für ihre Vortragsart, mit einer Mischung aus grande dame und Verruchtheit, aus Entsagung und Sinnlichkeit, das Adjektiv “marlenedietrichisch“ - aber war Greta Keller damit nicht früher da, hatte sie mit der Dietrich nicht am Wiener Volkstheater eine Garderobe geteilt, in der Zeit, als beide noch keine “Stars“ waren?

Schauspielen war ihr erster Beruf

Früh drängte Greta Keller zur Bühne: “Margarethe Keller, Schauspielerin“, schreibt die 12-Jährige auf eine Visitenkarte. Als der Vater, Industrieller, sein Geld verliert, wird das Schauspielen ihr erster Beruf. Ein gastierender amerikanischer Jazzsänger, bald ihr erster Mann, schubst sie in via Paris, London und New York in die Sängerinnen- und Plattenkarriere. Sie irritiert - mit der tiefen Stimme -, und nimmt zugleich gefangen. (Und ist dennoch nicht zu verwechseln mit einer anderen Baritonistin der Ära, Zarah Leander, auch wenn sie ein oder zwei von deren Schlagern nachgesungen hat.)

Diseuse, Chansonette - so ganz passt kein Begriff auf Greta Keller. Mit einem “Flüster-Orchester“ trat sie auf, sie, die “Königin des Mikrophons“, wie man sie bald nannte. Das Mikrophon, vor dem man leise, leise sein konnte. Vom “Charme der Pariserin und dem Herz der Wienerin“ wird geschrieben, von Greta Kellers “rostroter“ Stimme… Von der Mischung zwischen Poetischem und Mondänem, aus Koketterie und Melancholie, von den ironischen Sekundenbruchteilen und den die Kehle zuschnürenden erzählen diese Schlagworte nichts.

Kurzes Glück in New York

In den späteren 1930er Jahren feiert sie zwar riesige Erfolge in Deutschland, lebt aber bereits in London. Als Hitler 1938 Österreich erreicht, geht Greta Keller in die USA. “Chez Greta“ heißt das Lokal, das sie in New York eröffnet, in dem sie singt und swingt, und in dem Greta Garbo neben Igor Strawinsky sitzend zuhört.

Doch das Glück ist nicht von Dauer. Greta Kellers aus der Filmbranche kommender zweiter Mann wird ermordet, was böse Schlagzeilen bringt, sie erleidet eine Totgeburt … und braucht lange, um sich wieder zu fangen.

Erotische Glissandi

Nach dem Krieg tastend zurück nach Wien: via St. Moritz ins Ronacher. Ihre Soloabende, mit dem wissenden Ton der reifen Dame, werden noch einmal “Kult“. Die tief schwingende, so vieles andeutende Stimme, die erotischen Glissandi - fast alles, was Greta Keller ausmachte, findet sich auch in den englischen Nummern, die sie aufgenommen hat.

Aber die letzten Finessen von dem, was sie unverwechselbar machte, die Zwischen-Töne auch bei den Worten, die waren doch ihren deutsch gesungenen Nummern vorbehalten - und was man aus den wienerischen machen kann, sich hingebend und doch mit allen Klischees spielend, muss man von ihr gehört haben. Der Kreis schließt sich: 1977 stirbt Greta Keller in ihrer Geburtsstadt.

Hochklassige musikalische Partner

45 Jahre Konzerte, Revuen, Musicals, Radio- und Fernsehsendungen - und Schallplattenaufnahmen, bei denen Greta Keller die besten musikalischen Partner hatte, die möglich waren: Peter Kreuder und Peter Iglhoff zum Beispiel in Deutschland, zur Avantgarde zählende Jazzmusiker in den USA.

1000 Einzeltitel, so schätzte sie selbst, wird Greta Kellers Plattenvermächtnis ausmachen. 90 Kartons umfasst jedenfalls der Nachlass im Wiener Stadtarchiv. Die Biographie ist noch zu schreiben. Aber ob sie uns über Greta Keller mehr erzählen könnte als ihre Aufnahmen das ohnehin tun?

Hör-Tipp
Musikpavillon, Freitag, 8. Dezember 2006, 18:15 Uhr

Link
Wikipedia - Greta Keller