Sandshaks Probleme und die schweigsame EU

Über das Kopf-in-den-Sand-Stecken

Der Sandshak - ehemals Brücke zwischen Osmanischem und Habsburgerreich - ist wegen seiner Lage auch heute noch wichtig, trennt jenes Gebiet doch das eigentliche Serbien von Montenegro. In Europas Medien hört man aber wenig über diese Region.

Die Region Sandshak liegt zum Teil in Serbien, zum Teil in Montenegro und erstreckt sich von Bosnien-Herzegowina bis zum Kosovo. Früher eine Brücke zwischen Osmanischem und Habsburgerreich hat die Bedeutung dieses schmalen Landstreifens wegen seiner Lage auch heute nicht abgenommen, obwohl er wegen der unmittelbaren Nähe des Kosovo fast in Vergessenheit geraten ist.

Sandshak gestern und heute

Die Bezeichnung "Sandshak“ ist eigentlich kein offizieller Name. Im regionalen Überblick Serbiens ist diese Region als "Raski okrug“ - Bezirk von Raska - eingetragen. Das Wort "Sandshak" ist ein allgemeiner osmanischer Terminus für eine Unterprovinz, einen Amtsbezirk, und bedeutet "Banner“. Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches ist dieser Name mündlich vom Gebiet des ehemaligen "Sandshak Novi Pazar" überliefert worden.

Die Bedeutung dieses Gebiets hat auch Leo Trotzki als Journalist in seinen Reportagen über die "Balkankriege 1913/1914 erwähnt. Heute - fast hundert Jahre danach - hat sie nicht abgenommen. Dieser schmale Landstreifen, der zur Türkei gehört, von Serben bewohnt und kraft des Berliner Vertrags von österreichischen Truppen besetzt ist, treibt nämlich einerseits einen Keil zwischen dem eigentlichen Serbien und Montenegro, andererseits stellt er eine Brücke zwischen Österreich und Mazedonien her. Obwohl die Region auch heute von der Lage her eine äußerst wichtige Region ist, wird über sie aber merkwürdigerweise kaum berichtet.

Europäische Medien schweigen

Lokale Journalisten schreiben in ihren Berichten täglich über Bomben, über das politisch motivierte Töten oder über moslemische Extremisten, die Medien im restlichen Europa schweigen sich darüber aber aus, als ob es sie überhaupt nichts angehen würde.

Von Zeit zu Zeit schreibt man über Kosovo und Mazedonien, seltener über Bosnien-Herzegowina und wartet darauf, dass sich die Probleme in diesen Teilen Europas von selbst lösen. Gerade Sandshak ist hiefür ein Paradebeispiel, wie man ohne gemeinsames Konzept eine Konfliktlsituation in eine ungewisse Zukunft verlagert und nicht versucht, sie zu beseitigen.

Aus den Fugen geraten

In Sandshak gehören etwa 80 Prozent der Bewohner dem moslemischen Religionsbekenntnis an. Im ehemaligen kommunistischen Jugoslawien hatte diese Tatsache für das Zusammenleben und für die regionalen Gliederungen kaum einen Einfluss. Nach dem Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren sind diese multikulturellen Gemeinschaften allerdings aus ihren Fugen geraten und haben sich in Richtung ethnisch homogener Einheiten mit den leider zu gut bekannten Folgen entwickelt.

So wurde am 26.Mai 1990 in Sarajewo die "Stranka demokratske akcije“ - die Partei der Demokratischen Aktion - gegründet - mit dem Ziel einer Vereinigung aller Muslimen in Jugoslawien. Ihr Nebenzweig in Novi Pazar entstand zwei Monate später bei einer Versammlung im lokalen Fußballstadion.

Im September des gleichen Jahres hat der jetzige Außenminister Serbiens, Vuk Draskovic, eine Mahnung ausgesprochen, die sich aus heutiger Sicht erfüllt hat: "Wer mit türkischen Fahnen durchs serbische Land fegt, wird ohne diese Fahnen und auch ohne Hände bleiben.“ Der Rest ist eine blutige Geschichte - nicht nur Jugoslawiens, sondern auch der Ohnmacht Europas und der Welt.

Sandshak als Symptom

Sandshak ist heute mit seinen Muslimen ein neu geteilter Staat und mit seinen interethnischen Verhältnissen ein Teil der Republik Serbien. So gesehen sind die Probleme vorprogrammiert und können nicht von gemeinsamen Lösungen auf der Balkanhalbinsel isoliert betrachtet werden.

Man kann tägliche Meldungen über Opfer jeglicher Konflikte nicht in lokale Chronikrubriken unter "allgemeine Kriminalität" einordnen. Die derzeitige Situation ist vielmehr Symptom eines politisch schwer belasteten Zustands, der nicht von lokalen Kriminalisten, sondern von europäischen Politikern behandelt gehört. Die Europäische Union sollte daher endlich ein glaubwürdiges Konzept für die ganze Region vorlegen.