Ein Eldorado für Ikonografen
Schloss Eggenberg
Es ist die sehr persönliche Schöpfung eines bedeutenden Staatsmannes des 17. Jahrhunderts: Schloss Eggenberg bei Graz. Dem steirischen Escorial ist der kürzlich erschienene Bildband Barbara Kaisers gewidmet, der den Bau als Gesamtkunstwerk darstellt.
8. April 2017, 21:58
Wahres Mäzenatentum hat im Kunstwerk meist auch ein Spiegelbild der Auftraggeber zur Folge. Damit ist zwar nicht die moderne staatliche Kunstförderung gemeint, umso öfter trifft es aber bei Fürstenhäusern und Adelsfamilien zu. Ganz besonders bei der Familie Eggenberg, deren ungewöhnlicher Werdegang auf dem Gebiet der Architektur und Malerei ebenso ungewöhnliche Spuren hinterlassen hat.
Dem "Haus", der Familie, heute physisch in Österreich ganz besonders durch das Schloss Eggenberg in Graz repräsentiert, ist ein eindrucksvoller neuer Kunstband des Verlages Brandstätter gewidmet. Barbara Kaiser, die Autorin, Leiterin der Joanneum-Abteilung Schloss Eggenberg, hat sich im Hauptteil des Werks der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert gewidmet, die sie architekturgeschichtlich, ikonografisch und auch in Bezug auf die interessante Familiengeschichte beleuchtet. Ulrich Becker, der Leiter der Mittelaltersammlung des Joanneums, stand ihr als Spezialist für das 15. Jahrhundert mit einem Aufsatz über die Anfänge zur Seite.
Biografisches und Architektonisches
Was macht diese preiswerte Neuerscheinung - im Schloss selbst kann man die Softcover-Ausgabe für nur 29 Euro kaufen - über das großzügig dimensionierte Bildmaterial hinaus interessant? Das sind zunächst einmal die reizvollen biografischen Schlaglichter auf die Familiengeschichte, die kurz und heftig ein rasches Auf und Ab in der politischen und historischen Bedeutung der Mitglieder zeigt, und von beeindruckenden Charakteren mit teilweise sogar kriminellen Einschlag, geprägt ist.
Da ist der architektonische Repräsentationscharakter dieses "steirischen Escorial" mit dem Hans Ullrich von Eggenberg ein deutliches Zeichen für seinen Rang als kaiserlicher Statthalter setzen wollte. Nicht nur durch seine fast klösterliche Strenge ergibt sich eine Assoziation zum spanischen Königspalast, der Kloster, Palast und Kirche gleichzeitig sein sollte. Auch die architektonische Struktur, ganz besonders der Ecktürme, die strenge Horizontalität, die Schmucklosigkeit der Fassaden und die geschlossene Vierflügelanlage, verweisen auf die Residenz Philipp II. als großes Vorbild.
Plastisch dargestellte Zusammenhänge
Da sind schließlich auch die riesig dimensionierte Gemäldegalerie, und die großzügig in Freskotechnik ausgemalten Säle der Beletage, ganz besonders des prunkvollen Planetensaales. All das wurde von Barbara Kaiser mit detaillierten ikonografischen Kommentaren versehen, die sich nicht nur an die Kunsthistoriker, nicht an Fachleute wenden, sondern wie das neue Eggenberg-Buch im Ganzen, dem interessierten Laien ein plastisches Bild der ikonografischen Zusammenhänge bietet.
Die Autorin holt weiter aus, bettet die Menschen in ihre Zeit ein, macht sie für uns lebendig und versucht auch zu erklären, wie heute scheinbar ungewöhnliche Elemente eines architektonischen Programms aus der Welt der Astrologie und Alchemie in der Entstehungszeit gesehen wurden. Sie versucht, die riesigen kulturellen Umwälzungen dieser "Wendezeit" und deren Spuren im Denken der Menschen zu schildern.
Eine Bibliothek des Barock
Eggenberg ist eigentlich eine gebaute und gemalte riesige Bibliothek der Barockzeit, die einen auch für damalige Verhältnisse hohen Bildungsstandard verlangt. Da heute dieser humanistische Bildungsfundus nicht mehr gleichermaßen vorausgesetzt werden kann, meist gar nicht mehr abrufbar ist, erklärt die Autorin auch den Hintergrund in der notwendigen Ausführlichkeit. Denn die Schönheit, der Tiefsinn und die Raffinesse der Ideen waren den Auftraggebern wichtiger als die Pracht der äußeren Form.
Von Monumental-Residenz zu idyllischem Landschloss
Nach dem unerwartet frühen Aussterben des Geschlechts, das seine kulturhistorischen Spuren auch im tschechischen Krumau hinterlassen hat, veränderte auch das Grazer Schloss seinen Charakter - und aus der monumentalen Residenz wurde ein idyllisches Landschloss des Rokoko mit ebenso idyllischem Park, das das ganze 19. Jahrhundert in einer Art "Dornröschenschlaf" fast unbewohnt und unberührt überdauert hat.
Nur die Gartenanlagen hat man dem romantischen Geschmack angepasst. Und auch diese erhielten den ihnen gebührenden Platz in diesem voluminösen Kunstband.
Gelungene Realisierung auf hohem Niveau
Kern dieses Buches ist die Darstellung des Schlosses als Gesamtkunstwerk, des komplexen Gedankengebäudes, das hier eine bauliche und bildliche Realisierung auf höchstem Niveau gefunden hat.
Und die ist in einer anschaulichen, für jeden verständlichen Form gelungen, die den Leser dazu anregt, sich mit Begeisterung in den "Geist der Zeiten" zu versetzen.
Buch-Tipp
Barbara Kaiser, "Schloss Eggenberg", Verlag Christian Brandstätter, ISBN 390251096X
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Brandstätter Verlag
Schloss Eggenberg