Für das Gute, Wahre und Schöne im Hausflur

Hausmeister-Ästhetik

Der erste Eindruck ist der wichtigste. Das gilt natürlich auch für ein Haus. Teilt man dieses, bestimmt nur noch eine über das Entree: die Concierge. Aber ist es nicht auch ein Glück, dass sie noch nicht durch eine anonyme Reinigungsfirma ersetzt wurde?

Ich glaube, ich lebe im einzigen Haus Wiens, in dem kein Altpapier-Sammelbehälter steht. Also so eine grüne Tonne mit rotem Deckel. Müssen wir nicht Müll trennen? Ist das Haus nicht verpflichtet, eine solche Tonne aufstellen zu lassen? Beruflich bin ich Journalist und Antworten auf solche Fragen zu recherchieren, ist Routine. Aber privat habe ich das Recht auf Faulheit, darum weiß ich bis heute nicht, ob jeder ein Recht auf grüne Kübel mit roten Deckeln im eigenen Hausflur hat. Meine Hausbesorgerin macht ästhetische Gründe für das Fehlen des Sammelbehälters geltend.

Nun wage ich meiner Hausbesorgerin ästhetisches Empfinden keineswegs abzusprechen, weiß sie doch den Hausflur gegenüber den Postkastln je nach Jahreszeit passend zu dekorieren. Jetzt sind gerade Kornähren, Kastanien, Kürbisse dran. Die werden bleiben, bis die Zeit für Kerzen, Krippe, Kletzenbrot gekommen ist. Es ist ihre Ästhetik, nicht meine, aber meine Besucher haben immer was zu schauen.

Dort, neben dem Haustor, wo eigentlich der große Papierkorb stehen sollte, werden für die nächsten sechs Monate die winterlichen Streu- und Kehrutensilien der Hausbesorgerin den Eingangsbereich des Hauses schmücken. Ob das meinem ästhetischen Empfinden enstpricht, bin ich noch nie gefragt worden. Aber ich beklage mich nicht darüber.

Vielleicht ist unser Haus doch nicht das einzige ohne grüne Tonne mit rotem Deckel. Vielleicht haben ja auch in anderen Häusern die Hausbesorgerinnen ihr ästhetisches Empfinden entdeckt und die Papiersammler aus den Hausfluren verbannt? Die Statistik untermauert diese Vermutung. Die besten Sammelergebnisse für Altpapier und Pappe wurden nämlich in den Jahren 1999 bis 2001 erreicht. Danach ging es bergab, 2005 wurde gerade einmal sowenig Altpapier gesammelt wie schon 1998.

Es hat ja auch seine Vorteile, wenn im eigenen Hausflur kein Altpapier-Sammelbehälter steht. Es stand nämlich schon einmal einer da, einstens, als noch eine Hausbesorgerin das Sagen hatte, der ökologische Kriterien wichtiger als ästhetische waren. Das Heben des roten Deckels war ein täglicher Quell des Ärgers: Milchpackungen, Saftpackungen, Kunststofffolien. Die meisten Mieter waren einfach zu blöd. Oder war es bloß dieser eine, der immer im Aufzug rauchte, der das Altpapiersammeln boykottierte?

Jedenfalls entdeckte ich auch an der damaligen Hausbesorgerin, dass sie Freude am Schönen hatte, dass Ästhetik für sie kein Fremdwort war. Kaum hatten wir alte Schulhefte meiner Tochter in den Tiefen des grünen Eimers versenkt, schon hörten wir, wenige Tage später, Lob aus Hausbesorgerinnenmund: Was für eine schöne Handschrift das Mädel doch hätte!