Von Cimarosa bis Oscar Straus
Kleopatra auf der Opernbühne
Zu Lebzeiten als "schönste Frau der Welt" tituliert, mit zwei Kaisern liiert, Julius Cäsar und Marc Anton - Kleopatra VII., letzte Königin des ägyptischen Ptolemäerreiches, musste zur Legende werden, und zur Bühnenfigur in Sprechstücken und Opern.
8. April 2017, 21:58
Kleopatra bei Händel, Berlioz und Barber
Die Schlange, die sich Cleopatra aus Verzweiflung über den Tod von Marcus Antonius an die Brust setzt, bereitet sich zum Biss vor. Mit diesem spektakulären Bühnenmoment endete im Herbst 1966 bei der Uraufführung die Oper, mit der die neu erbaute Metropolitan Opera im New Yorker Lincoln Center eingeweiht wurde: "Antony and Cleopatra" des amerikanischen Komponisten Samuel Barber, dem sein Lebensgefährte Gian Carlo Menotti das gleichnamige Shakespeare-Drama zum Operntextbuch umgearbeitet hatte.
Doch was ein weiterer Höhepunkt in Barbers Laufbahn nach "Vanessa" werden sollte, mit der er im Jahrzehnt davor zu Opernehren gekommen war, entwickelte sich zu einem persönlichen Rückschlag. Die Musik wurde trotz melodiöser Aufschwünge als zu wenig effektvoll empfunden, die Inszenierung durch den alle Register ziehenden Franco Zeffirelli als bombastisch überladen, Stars wie Leontyne Price und Jess Thomas standen auf verlorenem Posten.
Kleopatra in Moskau, Berlin, London
Samuel Barber hat der Kleopatra-Stoff kein Glück gebracht, Komponistenkollegen früherer Jahrhunderte erging es da - bei vergleichbar gewichtigen Kompositionsaufträgen - besser. Domenico Cimarosa etwa, der italienische Mozart-Zeitgenosse, lieferte seine "Cleopatra" 1789 für Kaiserin Katherina die Große und den Hof in St.Petersburg.
Noch früher, 1742, hatte Carl Heinrich Graun "Cleopatra e Cesare" zu schreiben, als in Berlin das von Friedrich II., dem "Großen", in Auftrag gegebene Opernhaus "Unter den Linden" einzuweihen war. Heraus kam in seinem Fall eine lupenreine opera seria im internationalen Stil der Zeit: Arien, Arien, Arien über Stunden, dazwischen bloß ein Duett der beiden Hauptfiguren - höfische Repräsentationsoper.
Händels hingerissener Cäsar
Ein zwischen Staatsräson und seiner Liebe zur Ägypterkönigin schwankender Julius Cäsar begegnet uns in der Graun-Oper. Mit ein paar komischen Einsprengseln garniert - und in der formalen Vielgestaltigkeit, die musikalisches Genie auszeichnet - war das auch schon bei Georg Friedrich Händels "Giulio Cesare" so, London 1724.
Der von Cleopatras Schönheit hingerissene Cäsar, die glamouröse, auch kokette, auch schmachtende Cleopatra, Nebenfiguren in unterschiedlichen Graden von Rage und Intrigantentum: Zusammengemischt ergibt sich bei Händel so ein fesselndes Opern-Panoptikum, das "Julius Cäsar" auch in der Zeit vor dem Einsetzen der "historischen Aufführungspraxis" immer wieder auf den Spielplänen hat aufblitzen lassen.
Kleopatra-Bühnenmusiken in Moskau und Berlin
Eine andere Art Kleopatra-Panoptikum hatte 1934 in Moskau, allerdings nicht für die Opernbühne, Sergej Prokofjew zu vertonen: Schwer zu beschreiben, was da im Moskauer Kammertheater herauskam - "Antonius und Kleopatra" von Shakespeare, in Kombination mit "Cäsar und Cleopatra" von George Bernhard Shaw, vermixt mit Alexander Puschkins "Ägyptischen Nächten", die dem Projekt den Namen gaben.
Das Theaterstück von Shaw hatte davor auch schon die Aufmerksamkeit Max Reinhardts in seiner Zeit am Berliner Deutschen Theater geweckt. Für die Reinhardt-Inszenierung sollte Pancho Vladigerov als Hauskomponst die Musik beisteuern, der in Zürich geborene Bulgare und spätere Herold der bulgarischen Nationaloper.
Zwischen Konzertsaal und Opernszene
Dass es in der Ballettmusik zu Charles Gounods Oper "Faust" eine Passage mit dem Titel "Cleopatras Variationen" gibt, ist weniger bekannt als die Konzertszene "Tod der Kleopatra", "La mort de Cleopatre", des unter anderem durch seine zwischen Oper und Konzertsaal stehenden "Faust"-Szenen bekannten Hector Berlioz. Wir stellen uns vor: Berlioz ist 26, nimmt am rituellen Wettbewerb des Pariser Conservatoire teil, für dessen Gewinner unter den Absolventen der prestigereiche Rom-Preis winkt, und bringt mit seiner "Mort de Cleopatre" das übliche formelhafte Nebeneinander von Rezitativen und ariosen Abschnitten so durcheinander, dass sich die Juroren überhaupt nicht mehr auskennen.
Kleopatra lässt sich von der Schlange beißen, wendet sich angsterfüllt an die Schatten der Pharaonen, zuckt im Todeskampf. Berlioz: "Ich habe über dieses Thema ein Stück komponiert, das mir Würde zu haben scheint, mit einem packenden Rhythmus allein deshalb, weil er so fremd ist, mit harmonischen Verkettungen, die eine düstere Feierlichkeit geben" - und "La mort de Cleopatre", wie oft bei Berlioz, weit moderner klingen lassen als das bei einem knapp nach Beethovens Tod komponierten Stück zu erwarten wäre.
Cleopatra als Operettendiva
Zu allen ernsten bis tragischen Kleopatra-Opern einen heiteren Kontrapunkt hat Oscar Straus gesetzt, der Schöpfer des "Walzertraum" und der "Lustigen Nibelungen": 1923 im Theater an der Wien, die unvergleichliche, laszive, selbstironische Fritzi Massary als Titelfigur in den "Perlen der Cleopatra" - da wird die ägyptische Königin ihrer royalen Würde ziemlich beraubt und zu einer femme fatale gemacht, deren Sinnlichkeit alles niedermäht.
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 12. Oktober 2006, 15:06 Uhr
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Link
Wikipedia - Kleopatra VII.