Der Verleger Egon Ammann

"Bücher sind Medikamente"

Interessierte Leserinnen und Leser können nun seit genau 25 Jahren in der (Zitat Egon Ammann:) "Seelenapotheke" namens Ammann Verlag schöne, ausgewählte Bücher finden, die gut als Proviant, Lebensmittel - oder eben auch als Medikament - taugen.

Stimmt das mit dem "glücklichen Händchen", Herr Ammann?

Vor 25 Jahren gründete Egon Ammann gemeinsam mit seiner Frau Marie-Luise Flammersfeld in Zürich den heute erfolgreichen und renommierten Ammann Verlag. Ein Jubiläum, das der Verlag diesen Herbst mit Lesungen, Veranstaltungen und neuen Büchern feiert. Und - es gibt für Egon Ammann in diesen Tagen noch einen Anlass zum Feiern: Am 9.Oktober feiert er seinen 65. Geburtstag.

Ebenso viel rechnen wie lesen

Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse wurden an die 400.000 Bücher präsentiert. Da ist es schwer, sich als Verlag - auch wirtschaftlich - zu behaupten. Dem Ammann Verlag hilft dabei - nach vielen Auf uns Abs - vor allem ein großer Bestseller: die schmale Erzählung "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" von Eric-Emmanuel Schmitt, ein internationaler Erfolg, der auch fürs Kino verfilmt wurde. Aber - was auch für das Verlagsprofil wichtig ist - ein Bestseller ermöglicht immer wieder auch andere Bücher, die sich weniger rechnen.

"In unserem Haus wird jeden Tag ebenso viel gerechnet wie gelesen", sagte Egon Ammann vor Jahren bei einer Preisverleihung.

"Wir dienen der Literatur"

Schon in seinen Jahren als Lektor für Gegenwartsliteratur und als Geschäftsführer des Suhrkamp-Verlags in Zürich war Egon Ammann einer, der sich aktiv um Literaturvermittelung bemühte.

"Wir alle, die wir mit Büchern zu tun haben, müssen verantwortungsvoll mit Texten umgehen", sagt Egon Ammann. "Nicht wir selbst sind wichtig. Es geht um die Bücher. Wir haben einen dienenden Beruf, wir dienen der Literatur."

"Der Literatur als Kunst verpflichtet" steht als ein Motto im neuen Katalog des Ammann Verlages. Und der Verleger ergänzt: "Neben der deutschsprachigen Literatur haben wir von Anfang an diejenige unserer anderssprachigen Nachbarn im Auge gehabt. Entstanden ist so - als ästhetisch-intellektuelle Geografie des Verlags - eine Reise in die Welt, unserer persönlichen Neugier entlang."

Der Instinktverleger

Egon Ammann wird von Freunden als "Instinktverleger" bezeichnet, als einer, der ein "glückliches Händchen" habe bei der Auswahl seiner Bücher und Autoren. So hat er etwa einmal auf dem Flughafen Heathrow einen Packen Papier aus dem Abfallkübel geholt. Es war ein Manuskript. Ammann begann zu lesen und wusste rasch, dass es sich um Literatur handelte. Um Weltliteratur, davon war er überzeugt.

Er fuhr zur Universität, von der das Papier stammte und forschte den Autor aus. Es war der Nigerianer Wole Soyinka. Egon Ammann druckte 5.000 Exemplare von "Ake' - Die Geschichte einer Kindheit". Obwohl er im ersten Jahr nur 14 Exemplare verkaufte, behielt er alle Bücher im Programm. Nach drei Jahren geschah die Sensation: Wole Soyinka erhielt den Nobelpreis für Literatur.

Entdecker Fernando Pessoas

Wenn das Herz denken könnte, stünde es still.
Ich lehne mich an meinen Schreibtisch wie an ein Bollwerk gegen das Leben.
Wir verwirklichen uns nie. Wir sind zwei Abgründe - ein Brunnen, der in den Himmel schaut.


Das sind Sätze aus dem umfangreichen Werk von Fernando Pessoa. Als sein " Buch der Unruhe" 1985, 50 Jahre nach dem Tod des Autors, in deutscher Übersetzung bei Ammann erschien, wurde es von der Kritik sofort als literarisches Ereignis gefeiert. Inzwischen verlegt der Ammann Verlag das gesamte Werk des 1935 im Alter von 47 Jahren verstorbenen portugiesischen Dichters.

Zu Lebzeiten veröffentlichte der Handelskorrespondent Pessoa wenig - wenn überhaupt. Er war als Lyriker bekannt. Pessoa schrieb für die Truhe. 27.543 Manuskripte umfasst sein literarischer Nachlass, der in jener berühmten Truhe gefunden wurde.

Dialog mit Büchern

Neben der Gesamtausgabe der Werke von Fernando Pessoa fallen noch andere Schwerpunkte im Verlagsprogramm von Egon Ammann auf - so etwa seine Liebe zur russischen Literatur. Da finden sich alle Gedichte von Ossip Mandelstamm im Programm, oder - als mutiges Großprojekt - die Neuübersetzung der großen Werke von Dostojewskij von Swetlana Geier.

"Was ist mit uns geschehen, da wir so vereinzelten in diesem großen Bogen Zeit?", heißt es in Shakespeares "Wintermärchen". Wird bei aller äußerlichen Nähe die innere Entfernung zum Anderen, zum Gegenüber immer größer? Was helfen könnte, ist das neugierige, aufmerksame Gespräch mit Menschen - und der Dialog mit besonderen Büchern, die von uns und vom Anderen, vom Anderssein erzählen. So ist jeder Verlag, jede Bibliothek, jede Buchhandlung auch weiterhin als wichtige "Seelenapotheke" gefragt.

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 8. Oktober 2006, 14:05 Uhr

Download-Tipp
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Buch-Tipps
Antonio Moresco, "Aufbrüche", aus dem Italienischen übersetzt von Ragni M. Gschwend, Ammann Verlag, ISBN 3250600717

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Meinrad Inglin, "Gesammelte Werke. Alle 10 Bände", herausgegeben von Georg Schoeck, Ammann Verlag, ISBN 3250100889

Mehr zu Meinrad Inglin in oe1.ORF.at

Ismail Kadaré, "Das verflixte Jahr", übersetzt von Joachim Röhm, Ammann Verlag, ISBN 325060044

Mehr dazu in oe1.ORF.at und zu Ismail Kadaré in oe1.ORF.at

Agota Kristof, "Die Analphabetin", übersetzt von Andrea Spingler, Ammann Verlag, ISBN 3250600830

Mehr dazu in oe1.ORF.at

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Ammann Verlag