Illusion oder Realität?
Die Freiheit des Denkens
Zum zehnten Mal fand heuer der philosophische Gedankenaustausch mit internationalen Wissenschaftern in Lech am Arlberg statt. Eine Grundfrage der Philosophie mit brennender Aktualität stand zur Diskussion: die Freiheit des Menschen im Denken und Handeln.
8. April 2017, 21:58
Spätestens seit der Aufklärung wird Autonomie und Selbstverantwortung des Menschen, seine Freiheit im Denken und im Handeln eingefordert und gleichzeitig immer wieder in Frage gestellt.
"Milieutheorie, Psychoanalyse und Hirnforschung sahen und sehen im Menschen", so schreibt der Wissenschaftliche Leiter des Philosophicums Lech, Konrad Paul Liessmann, im Folder der diesjährigen Veranstaltung, "ein von seiner sozialen Umgebung, seinen Trieben oder seinen Hirnaktivitäten gesteuertes Wesen. Auch in der Politik ist immer wieder von Prozessen wie der Globalisierung die Rede, die anscheinend mit naturgesetzlicher Zwangläufigkeit ablaufen und keine Handlungsalternativen mehr zulassen. Trotzdem wird Freiheit als ein Ziel politischer Interventionen, philosophischer Bemühungen und künstlerischer Aktivitäten formuliert. Menschen hören nicht auf, nach Freiheit und Selbstbestimmung zu streben und die Freiheit des Denkens angesichts einer globalen Meinungsindustrie einzufordern."
Beim zehnten Philosophicum Lech versuchten Philosophen, Soziologen, Hirnforscher und Schriftsteller das was ist zu begreifen. Hier ein paar Gedanken.
Meinungsfreiheit
Voraussetzung dafür ist die Freiheit des Denkens, basierend auf einem freien Willen und in der Folge die Möglichkeit die Ergebnisse dieses Denkens unzensuriert zu kommunizieren.
Der an der Universität Graz lehrende Soziologie Christian Fleck ging in seinem Referat beim Philosophicum nach einem historischen Überblick über Religionsfreiheit, Wissensfreiheit, die in Österreich als eine der ersten Freiheiten 1867 in einer Art Verfassung festgeschrieben wurde auf die aktuelle politische Meinungsfreiheit ein.
Heute bilden Ideologien für die Menschen keine Gemeinschaftsbasis mehr. Deshalb fehlt für Christian Fleck auch ein Ort der Willensbildung. Für ihn bedeutet Meinungsfreiheit, eine Meinung äußern zu können, für die man es riskiert kritisiert zu werden. Auf dieser Basis könne dann ein Prozess in Gang gebracht werden, der zur Herausbildung von Meinungen dient.
Religionsfreiheit
Der freischaffende Sozialwissenschafter Kurt Greussing analysierte den Islamismus, also den politisierten Islam, wie er uns seit dem Sieg der iranischen Revolution 1979 gegenübertritt und stellte die Frage, ob uns Menschen der westlichen Zivilisation dieser lange Schatten Gottes tatsächlich so fremd sei.
Der Soziologe stellte die Frage ob, es sich um eine orientalische Arabeske handle, die nun in unser Leben und Denken eindringe oder ob wir nicht durch die Konfrontation mit dem Islamismus ein Dejavu erleben würden, weil sich im Europäischen Raum seit der Mitte des 19. Jahrhundert ähnliches abgespielt habe.
Die politische Freiheit
Christian Fleck hat in seinem Vortrag beim diesjährigen Philosophicum Lech die politische Freiheit als gelehriges Kind der Religionsfreiheit bezeichnet. Der Streit zwischen den großen weltanschaulichen Entwürfen, des Konservativismus, Liberalismus und Sozialismus kennzeichnete nicht nur das lange 19. Jahrhundert, wie der Historiker Eric Hobsbawm bemerkte sondern beherrscht auch den derzeitigen Wahlkampf.
Freiheit der Kunst
Aus der Idee der politischen Freiheit entsprang so Christian Fleck - die der Kunstfreiheit. Der Streit um das Schöne und darum, wer sich auf welche Weise daran beteiligen kann, tangiert zwar nur einen kleinen, aber in der Regel sprachgewaltigen Teil der Staatsbürger. Ob der Freiheit der Kunst Grenzen zu ziehen sind und wann diese Schranken aufgebaut werden sollen, erhitzt vor allem bei Kunstskandalen die Gemüter. Strafrechtliche Konsequenzen sind selten.
Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 20. September 2006, 21:01 Uhr
Download-Tipp
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Link
Philosophicum Lech - Die Freiheit des Denkes