Alle dürfen jetzt alles

Von hinten

Es ist schwer, sich selbst die Tür zu weisen, so schwer, alles zuzugeben, was in Ungarn geht, geht noch lange nicht hier, so schwer, sich selbst zu überraschen und den Hut zu nehmen. Es kann nur eine Lösung geben, es muss geheiratet werden.

Es ist so schwer, sich selbst den Hintern zu versohlen. Also: Wo ist sie jetzt, die gefragt hat, ob man mich heiraten kann? Ich hab es mir anders überlegt. Heirate mich, heirate mich aus dem Stand, heirate mich von hinten, "heirate mich von hier weg", wie schon eine meiner bevorzugten Deutschen schrieb, damals. Ich will meine Lasten in die Ehe kippen, wie es alle tun, ich will ein bisschen Krieg, endlich Krieg führen, wie es alle tun, wie es Ost und West tun, mit miesen Untergriffen einen Menschen so weit erniedrigen, dass er sieben Jahre nicht mehr aufrecht stehen kann, vielleicht bleibt er ja stehen, vielleicht repliziert er ja auf die nämliche Weise, vielleicht bekomme ich genügend ab, um die größeren Waffen zücken zu können, die Keulen, denn man ist wieder primitiv, wo ist der Mensch für meinen Fight Club?

Die Frau, wo ist sie, die das mit mir durchspielt, ganz locker, die mich fertig macht, mich einen krankhaften Lügner nennt, meine Männlichkeit einen müden Witz nennt, die dann will, wenn ich nicht will, und dann nicht will, wenn ich will, die nie will, oder besser immer, ich will es wissen, ich will die Ehe, ich will den Krieg, ich will Bachmanns Wort erfüllen, ich will den Musikantenstadl im Blut und die Punschkrapferl im Augenwinkel, eine wehende Fahne am Hut, die Keule bei Fuß, die Galle bis zum Hals, ich pfeif auf die frugale Kost der Linken, ich will ein rechtes G'schrei, es muss gepoltert werden in allen Winkeln und in jeder Spalte und im TV, ich will mich auskotzen gleich über den Bildschirm, in die Couch und auf die Hausschlapfen, meinen Gegnern mitten auf den Pelz, ich bin ein Ungustl, ich will ins Fernsehen und ich will die Ehe.

Die Ehe, ich will sie, wie sie früher war, wo das Heimchen und der Gönner oder die Matrone und der Schlappschwanz einander noch ohne Würde begegnen konnten, ich will nach einer Woche jede Hoffnung verlieren und mein Gegenüber hassen wie nur Söhne ihre Mütter hassen und Eheleute Eheleute. Ich will Hass. Ich will mein Gegenüber leiden sehen, will es blamieren vor meinen Freunden und im Fernsehen, ja, ich will ins Fernsehen, will laut rufen: "Dieser Mensch kann überhaupt nichts!", will laut ins Fernsehen schreien, dass es aus ist mit sapiens, immer aufs Neue ist es aus und das will geschrien werden.

Ich werde einen solchen Menschen nicht finden, ich will ja noch nicht einmal suchen, also muss ich ihn kreieren. Ich bin der Erfinder, ich bin ein Politgott, ich spalte mich. Ich gebe vor, böse auf mich zu sein, lass mich einliefern und teile mich in zwei Menschen, zwei halbe, zwei Humanoiden, die fortan auf einander losgehen sollen, ganz dreckig und ohne Maulkorb. Sie sollen einander ruhig Hurenkinder schimpfen, denn das heizt die Stimmung an. Ich will eine Sau sein! Ich will sie rauslassen, ich will mich rauslassen, in den Vorwahlwochen darf ich, jetzt darf ich alles, alle dürfen jetzt alles, wir dürfen lügen, lügen und uns selbst mit Lügen schmücken, wir dürfen die Großen zitieren und die Kleinen ins Treffen führen, ins Treffen, wir sind die Mittler der Demokratie, wenn wir jetzt die Ehe wollen, und ich gebe zu, ich will sie, ich will mich wieder vereinigen, mir ist alles recht, "heirate mich von mir weg" und ich vergesse alles, was ich jemals über Dich gesagt habe, ich hasse Dich nicht mehr. Es ist so schwer, sich selbst den Arsch zu …

Es ist so schwer, den Schnabel zu halten.