Das Gehirn profitiert vom Schlaf

Wie der Schlaf unser Leben beeinflusst

Totaler Schlafentzug führt zum Tod. Wie viel und wie gut wir schlafen, beeinflusst maßgeblich unser Wohlbefinden, unser Gedächtnis, den Stoffwechsel und andere Körperfunktionen, deren Zusammenhang mit dem Schlaf zum Teil noch unerforscht ist.

20 Prozent aller Arztbesuche beruhen auf Schlafproblemen

In alten Schlaftheorien ging man davon aus, dass der Schlaf ein passiver Zustand ist, und sich durch diese Passivität ein Erholungseffekt einstellt. Schlaf ist aber viel mehr als das, sagt die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM), Birgit Högl.

Schlaf dient zwar der Erholung, ist aber eine sehr komplexe Leistung des Gehirns. "Wenn auch die genaue Funktionsweise des Schlafes noch nicht erforscht ist, so kann man heute doch davon ausgehen, dass das Gehirn das Organ ist, das am meisten vom Schlaf profitiert", sagt Birgit Högl. Im Schlaf konsolidiert sich das Gedächtnis, Informationen werden vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis transferiert.

REM-Träume sind wie eine Geschichte

Der Schlaf wird grob gegliedert in die Phase des Rapid Eye Movement (REM(), in der sich die Augen schnell bewegen, den so genannten REM-Schlaf und den Non-REM-Schlaf. Während man früher davon ausgegangen ist, dass nur im REM-Schlaf geträumt wird, weiß man heute, dass es auch im Non-REM-Schlaf, der sich aus oberflächlichem Schlaf und Tiefschlaf zusammensetzt, Traumbilder gibt.

Der Unterschied: In der REM-Phase erinnern wir uns besser an Träume, sie erscheinen uns wie eine Story, während die Traumbilder im Non-REM-Schlaf eher statisch sind. "In den REM-Phasen ist die globale Hirnaktivität genauso hoch wie im Wachzustand", sagt Birgit Högl. "Es sind aber bestimmte Hirnzentren anders verschaltet. Kennzeichnend ist zum Beispiel, dass Areale, die mit Gemütsregungen zu tun haben, in dieser Schlafphase besonders aktiv sind. Das erklärt wohl auch, warum wir im Traum so heftige Emotionen erleben können."

Organische und nicht-organische Schlafstörungen

Über 90 verschiedene Schlafstörungen sind in der ICSD (International Classification of Sleep Disorders) mittlerweile verzeichnet. Nach einer Studie der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin leiden 32 Prozent der Österreicher zumindest manchmal an Schlafstörungen. Grundsätzlich gilt, dass ältere Menschen häufiger betroffen sind, doch auch unter den Schulkindern finden sich bereits zwölf Prozent, die über Schlafstörungen berichten.

"Wir gehen davon aus, dass rund 70 Prozent der Schlafstörungen nicht-organische Ursachen haben und nur 30 Prozent organisch begründet sind", sagt der Grazer Schlafmediziner Reinhold Kerbl. Bei Kindern, die wenig schlafen, sei es außerdem oft so, dass nicht die Kinder ein Problem haben, sondern die Eltern: "Ein Säugling im Alter von sechs Monaten kann entweder zehn Stunden schlafen oder 16 Stunden, und beides ist normal. Angenehmer für die Eltern sind natürlich die 16 Stunden. Aber auch der Säugling, der nur zehn Stunden schläft, holt sich den Schlaf, der für dieses individuelle Kind notwendig ist."

Standards für Schlafmedizin

Mit Schlafstörungen beschäftigen sich viele verschiedene Fachrichtungen, die Schlafmedizin ist ein interdisziplinäres Fachgebiet. Neurologen, Psychiater, Psychologen, Lungenfachärzte, Internisten, Kinderärzte und Fachärzte für Geriatrie - Schlafstörungen berühren viele medizinische und psychologische Bereiche. Die Europäische Schlafforschungsgesellschaft (ESRS) und auch die nationalen Fachgesellschaften wie die ÖGSM geben ein bestimmtes Procedere vor, mit dem die Qualität von Schlaflaboren bestimmt und anerkannt wird.

"Die Ausbildung von Schlafmediziner war lange Zeit jedem selber überlassen", sagt Birgit Högl, die Präsidentin der ÖGSM. "Diese Ausbildung soll jetzt vereinheitlicht werden und bestimmte Mindeststandards erfüllen." Die ESRS entwickelt daher derzeit Richtlinien, die einzuhalten sind, wenn ein europäischer Mediziner sich auf Schlafmedizin spezialisieren möchte. Die nationalen Fachgesellschaften sollen dann Prüfungen abnehmen, so wie das etwa in Deutschland oder auch in den USA bereits üblich ist. In Österreich gibt es noch keine Prüfung für Schlafmedizin.

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Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 18. September 2006, 19:05 Uhr

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Links
Österreichische Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung
European Sleep Research Society