Ein popkultureller Kosmos
Universum öffne dich
Am 4. September 1973, sieben Jahre nach dem Start in den USA, landete die "Enterprise" erstmals in den österreichischen Wohnzimmern. Während die Eltern milde lächelten, wurden die Kids süchtig nach den Abenteuern von Captain Kirk und Co.
8. April 2017, 21:58
"Der Weltraum - unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs 'Enterprise', das mit seiner 400 Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die 'Enterprise' in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat."
Pyjamas werden Uniformen
Österreich - beschränkte Weiten. Wir schreiben das Jahr 1973. Das "Raumschiff Enterprise" hat endlich an die heimischen Bildschirme angedockt. Etliche Erwachsene lächeln milde über den neuen TV-Import aus Amerika oder sprechen gar von infantilem Kitsch. Vielen Kindern, die trotz späterer Sendezeit einen Blick auf die Kommandobrücke erhaschen, ergeht es ganz anders. Sie werden süchtig nach den Abenteuern von Captain Kirk und Co.
Das "Enterprise"-Fieber erfasst eine ganze Generation. Spielplätze und Pausenhöfe verwandeln sich in galaktische Kulissen, Pyjamaoberteile werden zu Uniformen umfunktioniert. Kein Wunder, in den frühen 1970ern, lange vor Science-Fiction-Blockbustern, Mangas und Videogames, erlaubt die "Enterprise" fantastische Fluchtmöglichkeiten. "Star Trek" ist bunter als die graue Realität, selbst wenn in den meisten österreichischen Haushalten damals noch ein Schwarzweiß-Fernseher steht.
Space is the place
Die Reisen der "Enterprise" erweitern aber auch den Horizont auf wortwörtliche Weise. Wer in der muffigen Enge der Provinz aufwächst, kann sich nun via TV aus seinem Heimatort hinausbeamen. Und zwar bis in die entferntesten Ecken fremder Galaxien. Space is the place - das psychedelische Motto aus den Sixties dringt ins Kinderzimmer vor. Apropos Sixties: Wie so viele popkulturelle Errungenschaften landet auch das "Raumschiff Enterprise" mit enormer Verspätung im deutschsprachigen Raum.
Bereits von 1966 bis 1969 geht Captain Kirk mit seiner Crew in den USA auf Forschungsreise. Erst als die abgesetzte Serie danach auf zahlreichen Kanälen weiterrotiert, formiert sich eine leidenschaftliche Fanschar. Das Kultphänomen "Star Trek" mit all seinen Spin-Offs ist geboren.
Multikulturelle Besatzung
Was erst 1973 in niederösterreichischen oder steirischen Wohnzimmern ankommt, trägt den Geist der vorangegangenen Dekade in sich. Natürlich steht "Star Trek" nicht für den rebellischen Spirit der wilden Sechziger. Aber immerhin träumte Gene Roddenberry, der Schöpfer der Serie, von einer geeinten Menschheit, die den friedlichen Kontakt zu anderen Planetenvölkern sucht. Äußerst ungewöhnlich wirkte auch die multikulturelle Besatzung, zu der neben Afroamerikanern, Asiaten und Außerirdischen auch Russen zählten. Und das mitten im Kalten Krieg.
"Star Trek" wollte natürlich keine humanistische Bildungsbürger-Serie sein, sondern vor allem knallige und grelle Pulp-Fiction. Während Mr. Spock und Dr. McCoy über Ethik diskutierten, kämpfte und küsste sich Captain Kirk wie ein raubeiniger Cowboy durch den Weltraum-Western.
Esprit und Charme
Neben handfester Genre-Action sorgen vor allem die futuristischen Strahleneffekte für Faszination. Phaserkanonen und Photonentorpedos bieten einen Vorgeschmack auf zukünftige "Star Wars"-Gefechte und Computerspiel-Szenarien.
Trotz aller Gimmicks und Gadgets, Tricks und Kostümierungen bleiben aber Emotionen immer im Zentrum sämtlicher 79 Original-Episoden. Es menschelt gewaltig an Bord der "Enterprise", und das im besten Sinn. Liebe und Hass, Toleranz und Eifersucht prallen ständig aufeinander. Natürlich münden viele Konflikte in naiven moralischen Lektionen, aber von Kirk und Spock, von Scotty, Pille und Uhura erfahren die minderjährigen Fans auch notwendige Lebensweisheiten, die einem kein Lehrer erzählt.
Als die Serie viele Jahre später wiederholt wird, entpuppen sich die Hi-Tech-Einrichtungen zwar als billige Pappendeckel-Dekors, aber der Esprit und der Charme der alten "Enterprise"-Besatzung übersteht auch die Dekaden. Mit diesen netten Damen und Herren möchte man gerne einen Kaffee trinken gehen, in einer Kantine viele Lichtjahre von der Erde entfernt.