Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase
Zeitzeuge der DEFA
Wolfgang Kohlhaase ist der letzte prominente Zeitzeuge der Geschichte der DEFA. Der Drehbuchautor, Schriftsteller, Hörspielautor und Erzähler gehört zu den profiliertesten deutschen Filmautoren und ist Spezialist für Berliner Alltagsgeschichten.
8. April 2017, 21:58
Wolfgang Kohlhaases Arbeit zählt zum erfolgreichsten Teil der ostdeutschen DEFA-Filmgeschichte, und er setzte sie im wiedervereinigten Deutschland fort. Aus der Feder Kohlhaases stammen rund 30 Spielfilme. "Interesse an den Menschen, unter denen du lebst" und "Neugier", an der er täglich arbeite, nennt der gebürtige Berliner als wichtige Antriebsmotive. Sein "besonderer Sinn für Komik, aber auch der prüfende Blick auf Details, Zusammenhänge und Hintergründe" wird von seinen Kollegen geschätzt.
Berlin im Mittelpunkt
Mit Berlin-Filmen gab Kohlhaase in den 1950er Jahren seinen Einstand als Drehbuchautor im Babelsberger DEFA-Studio. Erst 23 Jahre alt war er, als er zusammen mit Regisseur Gerhard Klein für "Alarm im Zirkus" den DDR-Nationalpreis erhielt. Später hielt sich die Begeisterung mancher SED-Funktionäre für das, was er als real-sozialistische Wirklichkeit ausmachte, in Grenzen.
"Eine Berliner Romanze" im Jahr 1956 und "Berlin - Ecke Schönhauser" 1957 über die Befindlichkeiten junger Menschen in der geteilten, aber noch offenen Stadt sind die bekanntesten von insgesamt sechs Filmen, die während der mehrjährigen Arbeitsbeziehung Kohlhaase-Klein entstanden. "Berlin um die Ecke" wird 1965 wie auch andere DEFA-Produktionen als "antisozialistisch" verboten.
Auseinandersetzung mit Nazi-Vergangenheit
Kohlhaase ist "uneinsichtig" und schreibt erst einmal Erzählungen, Hörspiele und Stücke, darunter die Kriminalkomödie "Fisch zu viert" und die von Bernhard Wicki 1984 verfilmte "Grünstein-Variante". Schließlich entwickelt sich mit Regisseur Konrad Wolf eine neue fruchtbare Film-Partnerschaft. Das große Thema heißt nun Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit. Die Erinnerungen von Wolf, der als junger Deutscher in der Sowjetarmee gekämpft hatte, bieten den Stoff zu "Ich war neunzehn" - verfilmt 1967 - und "Mama, ich lebe" 1976.
Der Gegenwartsfilm "Solo Sunny", im Osten von vielen Zuschauern als Absage an mit dem DDR-Sozialismus verbundene Ideale begriffen, findet 1981 bei der Berlinale in West-Berlin größte Aufmerksamkeit. Renate Krößner als Schlagersängerin Sunny, die unangepasst, radikal und gefühlvoll nach Selbstverwirklichung sucht, erhält als beste Schauspielerin einen Silbernen Bären.
"Der Hauptmann von Köpenick" mit Harald Juhnke
Kohlhaase bekommt auch nach der Wende viele Angeboten. Sein Drehbuch zu Volker Schlöndorffs Film "Die Stille nach dem Schuss" 1999 über eine im Osten untergetauchte Terroristin der "Rote Armee Fraktion" (RAF) wird für den Europäischen Filmpreis nominiert.
Millionen Zuschauer sahen 1997 den Fernsehfilm "Der Hauptmann von Köpenick" mit Harald Juhnke, bei dem Kohlhaase und Regisseur Frank Beyer zusammenarbeiteten. Kurz nach dem Mauerfall war das Team Kohlhaase-Beyer für "Der Bruch" - gewiefte Ganoven im Nachkriegs-Berlin - mit Götz George in der Hauptrolle, mit dem Ernst-Lubitsch-Preis ausgezeichnet worden.
Hör-Tipp
Tonspuren, Freitag, 8. September 2006, 22:15 Uhr
Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.
Link
Filmportal - Wolfgang Kohlhaase