Musik mit Anspruch, Texte mit Botschaft
Badi Assads "Wonderland"
"Wonderland", das neue Album der brasilianischen Gitarristin und Sängerin Badi Assad vereint Ironie mit Subtilität. Vom bunten Gewand ihrer Lieder, vom brasilianischen Flair, darf man sich dabei nicht über deren Inhalt täuschen lassen.
8. April 2017, 21:58
"A Banca do Distinto (The Arrogance of the Distinguished)"
Der Schlüssel zu diesem Album ist vielleicht der letzte Track. Eine Privataufnahme. Rauschen und Knistern. Ein fernes Gitarrenintro und schließlich haucht, kräht, flüstert ein kleines Mädchen ein Lied von Tom Jobim. Es ist die sechsjährige Badi Assad. Ihr Bruder Sérgio begleitet sie. Aus Sérgio sollte zusammen mit seinem Bruder Odair das weltberühmte klassische Gitarrenduo Assad werden.
Die um mehr als zehn Jahre jüngere kleine Schwester gewinnt schon mit 15 Jahren ihren ersten Wettbewerb, mit 18 erringt sie den ersten Preis beim Internationalen Villa Lobos-Gitarrenwettbewerb als beste brasilianische Gitarristin. Heute ist Badi Assad 40 Jahre alt und hat bereits ein bewegtes Leben, Heirat nach Nordamerika, Scheidung, eine schwere Krankheit und neun Plattenproduktionen hinter sich.
Doch wenn sie mit leuchtenden Augen von ihrem neuen zehnten Album erzählt, überträgt sich etwas von der Begeisterung und Zuversicht in der Stimme dieses kleinen Mädchens. Eine Zuversicht, die besteht, obwohl Badi Assad mittlerweile sehr wohl weiß, wie es um die Welt und unser Leben bestellt ist.
Schwere Themen in buntem Gewand
So darf man sich vom bunten Gewand ihrer Lieder, vom brasilianischen Flair nicht über deren Inhalt täuschen lassen. Verhandelt werden da keine geringeren Probleme als Kinder-Prostitution, Gewalt in der Familie, Vergewaltigung, Alkoholismus und die Gleichgültigkeit gegenüber Vorurteilen. Aber statt Protest wirkt hier Poesie, statt Anklage Ironie und Subtilität.
"Wonderland" hat Badi Assad ihre neue CD genannt und dabei an das Wunderland der kleinen Alice gedacht, das sich bei genauerer Betrachtung als alles andere als nett, freundlich und rosarot entpuppt. Und genau darum geht es: um genauere Betrachtung.
Feinste Pop-Folk-Jazz-Kammermusik
Musikalisch bleiben keine Wünsche offen. Als Producer firmiert der große Cellist Jaques Morelenbaum. Dazu kommen drei renommierte brasilianische Musiker.
Feinste Pop-Folk-Jazz-Kammermusik ist das Ergebnis, transparent, durchhörbar, reich an Farben und Nuancen, Zwischentönen und Schattierungen.
Berührende Cover-Versionen
Badi Assad ist eins mit ihren Liedern, selbst wenn es gar nicht ihre Lieder sind. Auf dem neuen Album sind Cover-Versionen von Eurythmics, Vangelis, der Asian Dub Foundation, Tori Amos (hinreißend: "Black Dove"!) oder dem aufsteigenden brasilianischen Star Lenine. Singen ist für sie so natürlich wie Atmen oder Gitarrespielen.
Doch vor ein paar Jahren befiel die Musikerin plötzlich eine heimtückische Nervenkrankheit, die unter anderem ihre Hände angriff. Lange Zeit konnte sie ihre geliebte Gitarre nicht spielen. Aber irgendwann verschwand die Krankheit wie sie gekommen war. "In der Stimme eines Kindes existiert noch Hoffnung" (Badi Assad).
Hör-Tipp
Spielräume, Mittwoch, 6. September 2006, 17:30 Uhr
CD-Tipp
Badi Assad, "Wonderland", Edge/Universal 477 6113
Link
Badi Assad