Vom Streben nach dem Maximum
Das Maximum als Lebensziel
Was steckt wohl dahinter, wenn wir fortwährenden Gedanken an das Beste frönen, uns mit anderen messen, ständig daran arbeiten, das Optimale zu erreichen, den höchsten Gipfel der Ehre zu erklimmen? Ein Phänomen, das ins Kindesalter zurückreicht.
8. April 2017, 21:58
Musizierfreude im Hause Koncz
Bei Familie Koncz in Maria Enzersdorf liegt die Latte überdurchschnittlich hoch. Alle fünf Mitglieder sind konzertierende Musiker. Als die Eltern einander kennen lernten, war Elisabeth Flötistin im Brucknerorchester, Thomas in Ungarn schon vielgefragter Dirigent. Tochter Theresa verstand es mit drei Jahren nicht nur auf Ponys zu reiten, sondern begann kurz danach mit dem Klavierunterricht. Sohn Stefan startete ähnlich jung mit dem Cello-Unterricht und der Jüngste, Christoph, bekam auf seinen sehnlichsten Wunsch bereits als Zweijähriger seine erste Violine, eine Sechzehntel-Geige.
Vater Thomas, damals Generalmusikdirektor in Konstanz am Bodensee, verband Babysitten gerne mit dem gemeinsamen Einstudieren von Opern und Symphonien und nahm seine Kinder ohne weiteres auch mit zur Orchesterprobe. Der kleine Christoph Koncz spielte seinen ersten Bogen blank, weil er es den Großen gleichtun wollte und war fortan als stummer Playbackspieler unter den Musikern stets willkommen.
Filmauftritt
Bald hatte er erste Auftritte und mit zwölf durfte er in dem kanadischen Spielfilm "Die rote Geige" eine viel beachtete Rolle übernehmen. Alle drei Kinder stehen mitten im Studium, Christoph, heute 18, gilt als jüngste Nachwuchshoffnung der Wiener Musikuniversität, Bruder Stefan studiert die kommenden zwei Jahre sein Instrument, das Cello, als Assistent der "Zwölf Cellisten", Schwester Theresa widmet sich dem Gesangsstudium und baut ihre Pianistenkarriere weiter aus.
Alles ohne Druck erklärt Mutter Elisabeth stolz, aber mit dem Selbstverständnis, dass innerhalb der Familie von Anfang an kein Zweifel am Wunsch der Kinder nach einschlägigen Solokarrieren bestanden hätte. Vorbild schult, lacht sie und betont, dass sie selbst durch das tägliche Üben der Tonleitern vorangehe. Nur so begriffen schon die Kleinen, dass ohne harte Arbeit keine Lorbeeren zu erringen wären.
Kindheit mit Ausnahmeregelungen
Wichtiges Anliegen war ihr, dass die drei bis zur Matura in der Wohnumgebung ganz normal mit dem Fahrrad zur Schule kommen konnten, einige Ausnahmeregelungen gab es schon, aber von zahlreichen Konzertauftritten abgesehen hätten sie eine normale Kindheit verbracht.
Elterliches Wunschdenken
Anders sehen das Lehrer und Eltern von weniger unterstützt aufgewachsenen jungen Menschen. Im Streben nach einer Weltkarriere klassischen Zuschnitts erkennen sie wohl den Überhang an elterlichem Wunschdenken. Wohl gibt es auch die künstlerisch Begabten, die es an die Spitze schaffen, ohne ein so prominentes Elternhaus im Rücken.
Margarete Baha als AHS-Professorin für Deutsch, Philosophie und Psychologie meint aus ihrer Erfahrung heraus, dass sich Hochbegabte ohne förderndes Elternhaus viel mehr anstrengen müssen. Auch wenn ihr eigener Ehrgeiz vorhanden ist, reicht er für harte Disziplin eines Künstlerlebens, wie es eigentlich nur Erwachsene führen, oft nicht aus.
Ablehnung des elterlichen Berufswunschs
Ihre Tochter Nadia sah, so sagt sie selbst, ihre Eltern nie als disziplinierende Distanz. Heftig hat sie daher sowohl den Berufswunsch der Mutter (Tänzerin), als auch den des Vaters (Ärztin) abgelehnt. Ihr Talent lag immer für sie spürbar im Umgang mit der Sprache, so schrieb sie vom Volksschulalter an Gedichte, Kurzgeschichten und Satiren. Heute studiert sie mit großem Eifer Jus und mehrere Sprachen im Doppelstudium. Daneben hat die heute 22-Jährige ihre Texte unter dem Titel "Ernstlingswerk" veröffentlicht.
Johanna, eine Salzburger Philosophie- und Soziologiestudentin, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Ihre Eltern, beide unterrichtende Kunsterzieher, haben ihr immer "Luft gelassen" und sie in keiner Lebensentscheidung zu beeinflussen versucht. Ihre Meinung über den Ehrgeiz nach dem Besten zu streben sieht sie als eine Auswirkung des Selbstgefühls. "Ich denke", erklärt sie im Interview, "dass das Streben nach dem Maximum daher kommt, dass niemand jemand Beliebiger sein möchte. Und deshalb muß man sich wohl am Wettbewerb beteiligen. Schneidet man nicht optimal ab, fällt man wieder unter die Beliebigen."
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Hör-Tipp
Moment, Mittwoch, 30. August 2006, 17:09 Uhr
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Buch-Tipp
Nadia Baha, "Ernstlingswerk", Edition Nove, ISBN 3902518782
Link
fm5.at - Interview mit Nadia Baha