Thomas Bredenfeld über die Online-Werbebranche

Soziale Werbung?

An Werbung im Internet haben wir uns gewöhnt. Die Onlinewerbewirtschaft zieht mit immer neuen Tricks nach, um an unsere Aufmerksamkeit heranzukommen. Dabei wird kontinuierlich ausgetestet, wo die Grenze liegt, wo es gerade noch nicht nervt.

An herkömmliche Werbung im Netz haben wir uns gewöhnt. Die herkömmlichen Online-Werbeformen werden von vielen Netzbenutzern mittlerweile einfach ausgeblendet. Das ganze Arsenal von Google-Ads, Banners, Buttons, Skyscrapers, Pop-Ups und Pop-Unders und wie sie alle heißen, entlockt vielen Usern nicht einmal mehr die leiseste Reaktion.

Natürlich bleibt die Onlinewerbewirtschaft nicht tatenlos, sondern zieht mit immer neuen Tricks nach, um an unser bestes Gut, die Aufmerksamkeit, heranzukommen. Dabei wird kontinuierlich ausgetestet, wo die Grenze liegt, wo es gerade noch nicht nervt. Oft wird diese Grenze natürlich überschritten, wenn zum Beispiel nicht mehr mit Popup-Fenstern gearbeitet wird, sondern mit CSS-Boxen, die sich als Bestandteil einer Webseite oft erst verzögert wegklicken lassen oder neuerdings mit Framings, wo wie zuletzt bei der Website einer österreichischen Tageszeitung der gesamte Inhalt der Zeitung innerhalb eines Fernsehschirms eines großen Herstellers zu sehen war, was bereits drastisch auf Kosten der Nutzbarkeit ging.

Bei den Werbeformen auf Websites, die sich wie eine Kaufhausauslage an ein breites Publikum wenden, sind die Online-Werber schon länger persönlich geworden. Daran, dass ich bei Amazon aufgrund früherer Besuche und Käufe immer gezieltere Vorschläge zu anderen Büchern in meinen Interessensgebieten bekomme, habe ich mich nicht nur gewöhnt, sondern finde es fallweise sogar wirklich gut, werde ich doch so auf Titel hingewiesen, die mir sonst entgangen wären.

Dass Gratis-Mail-Dienste wie zum Beispiel jene von Google, Yahoo oder GMX das Gleiche aufgrund der Inhalte meines Mailverkehrs tun, war dann der nächste, logische Schritt in einer solchen Entwicklung. Dieser Weg, von meinen im Netz erkennbaren Interessen als Ansatzpunkt für personalisierte Werbung auszugehen und schließlich bei meiner privaten Kommunikation zu landen, überschreitet eine Grenze, ab der Werbung viele Nutzer nicht mehr nur nervt, sondern wo sie es als unangenehm bis bedenklich empfinden, wie ihre Daten benutzt werden. Die Begehrlichkeiten der Werbetreibenden machen an dieser Grenze jedoch nicht Halt. Aber auf Dauer gewöhnen sich auch daran viele.

Nun kommt die so genannte "Soziale Werbung". Seit geraumer Zeit landen immer mehr Plattformen, die der Vernetzung von Menschen mit gleichen Interessen dienen, im Visier der Online-Werber. Egal, welches dieser Social Network Tools, ob MySpace, Orkut, Friendster oder XING: Hier kommen aus beruflicher oder privater Motivation Netzbewohner zusammen, die dafür oft weit mehr von ihrem Persönlichkeitsprofil preisgeben, als sich z.B. aus den Bücherkäufen bei Amazon oder dem GMX-Mailverkehr herauslesen lässt. Das hat natürlich den Hunger der Werbetreibenden geweckt, weil es noch viel zielgerichtetere Werbung zulässt.

Hier hat die Branche zuletzt den Bogen offenbar etwas überspannt. Das Web-Nutzungsverhalten von Facebook-Usern wird bei Websites, die Werbepartner von Facebook sind und ein kleines Tool auf der eigenen Site installiert haben, auch außerhalb von Facebook aufzeichnet und dem für Freunde sichtbaren Profil in Facebook hinzugefügt. Der dazu mittlerweile viel zitierte Facebook-Nutzer Nate Weiner verdeutlicht die Problematik mit einem einfachen Beispiel: "Was wäre, wenn du ein Buch bei Amazon kaufst, das 'Der Umgang mit Aids' heißt, und jeder einzelne deiner Freunde erfährt davon?" Solche datenschutzrechtlichen Bedenken haben zu einem Massenprotest bei den Usern von Facebook geführt. Facebook war gezwungen, das Werkzeug zu entschärfen und die Zustimmung zur Anwendung dieses Werbetools explizit vom User einzuholen.

Auch im deutschsprachigen Bereich hat die Branche nun einen solchen (Sünden-)Fall, wo eine beliebte Social Networking-Plattform den Begehrlichkeiten seiner Werbekunden nicht widerstehen konnte. Die nach Facebook-Muster gestrickte und vor allem bei Studenten beliebte Community StudiVZ hat sich von den Nutzern über eine diskrete Änderung seiner Geschäftsbedingungen die Erlaubnis der Weitergabe von persönlichen Daten an die Werbepartner geholt. Deren Maßnahmen sollten sogar den Versand von Werbung über SMS oder Instant Messenger an die StudiVZ-Nutzer umfassen. Auch hier hat der daraufhin einsetzende User-Protest Wirkung gezeigt und StudiVZ veranlasst, zurückzurudern.

Durch diese Beispiele ist in der Netzwelt auch breiteren Kreisen ein klar geworden, wie aggressiv Online-Werber mittlerweile agieren. Sichtbar wird aber auch ein stetig wachsendes Bewusstsein der Nutzer für die Sensibilität ihrer Daten.

Thomas Bredenfeld ist freier Medienproduzent und Fachbuchautor in Wien

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