Aufgaben und Grenzen der Erwachsenenbildung

Migration

Experten sprechen davon, dass das ausgehende 20. Jahrhundert das Jahrhundert der Migration war. Jeder zehnte Österreicher ist ein Zuwanderer. Der Zustrom armer arbeitsloser und politisch verfolgter Menschen wird von vielen als Bedrohung empfunden.

Jeder zweite Moslem in Österreich sei nicht integrationswillig, wird von manchen aus einer Studie herausgelesen, die vom Innenministerium in Auftrag gegeben wurde. Jedes fünfte Zuwandererkind in Österreich kann zum Abschluss der Pflichtschulzeit de facto nicht lesen. Das hat eine Spezialauswertung der PISA-Studie ergeben. Für sozialen Sprengstoff ist gesorgt.

Ein Perspektivenwechsel ist dringend notwendig

Die Migration und ihre Folgen sind ein Problem, das die Zuwanderer bringen. Diese Sichtweise dreht der Bildungswissenschafter Klaus Ahlheim von der Universität Duisburg-Essen um. Er fordert einen Perspektivenwechsel. Die Einheimischen müssten sich öffnen. Nur dann könne es mit der Integration vorangehen.

Im Augenblick gehe die Tendenz eindeutig in Richtung Abschottung nach außen. Die viel zitierte Festung Europa stehe, eigentlich ein Widerspruch zur Globalisierung.

Eine Ursache für die Abschottungsmentalität seien steigende Ängste, die sich aus dem neoliberalen Wirtschaftmodell ergeben. Die Forderung nach Flexibilität, Mobilität und Verfügbarkeit, bei gleichzeitig steigender sozialer Unsicherheit werde von vielen als Zumutung empfunden. Eine Reaktion darauf sei das "Dichtmachen".

Fremdenfeindlichkeit wächst mit dem Alter

Klaus Ahlheim hat Studien über Fremdenfeindlichkeit gemacht. Sie haben ergeben, dass die Fremdenfeindlichkeit mit dem Alter deutlich steigt. Seit zwei Jahren wird in Deutschland ein neues beunruhigendes Phänomen beobachtet, nämlich dass 18- bis 25-jährige Männer verstärkt fremdenfeindlich sind.

Integrationsmaßnahmen sind daher dringend gefordert. Ein erster Schritt sind Sprachkurse für Migranten. Seit kurzem werden sie forciert. In Österreich sind sie seit heuer für alle ohne Ausnahme verpflichtend, in Deutschland seit Jänner 2005.

Wider Erwarten ist der Ansturm auf die Deutschkurse in Deutschland enorm. Die Zahlen haben im Juli 2006 die Zahlen vom vorigen Jahr bereits erreicht. Der oft angezweifelte Integrationswille ist also bei der Mehrheit vorhanden.

Umstrittene Studie

In Österreich hat vor kurzem eine Studie für Aufregung gesorgt, die zu dem Schluss kommt, dass viele Muslime Integrationsunwillig sind. Der Orientalist Hannes Galter von der Urania in Graz hat sich mit der vom Erlanger Juristen und Arabisten Matthias Rohe verfassten Studie für das Innenministeriums beschäftigt. In weiten Bereichen sei sie überzeugend.

Den Teil, der in der Öffentlichkeit für heftige Diskussionen sorgt, hält Galter wegen seiner Oberflächlichkeit aber für unseriös. Aus eigenen Erfahrungen schätzt er die angegebenen 45 Prozent integrationsunwilliger Muslime für zu hoch gegriffen.

Qualifikation und Dequalifikation

Viele Migranten sind zweifellos schlecht qualifiziert. Übersehen wird aber oft, dass es auch Hochqualifizierte gibt, die in Berufen weit unter ihrem Ausbildungsniveau arbeiten. Der afghanische Universitätsprofessor als Küchenhilfe, die armenische Lehrerin als Putzfrau. Experten sprechen von Dequalifikation.

Wird die Überbrückungssituation zum Dauerzustand, bedeutet das oft Schaden in zweifacher Hinsicht: persönliche Kränkung bei den Betroffenen und Vergeudung volkswirtschaftlicher Ressourcen.

Mit 30 Prozent gegenüber 17 Prozent sind fast doppelt so viele Ausländer wie Inländer von Dequalifikation betroffen. Das Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen versucht mit einigen Projekten der Dequalifikation von Migranten am Arbeitsmarkt entgegen zu wirken.

Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 20. Juli 2006, 19:05 Uhr

Download-Tipp
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Link
Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen