Gibt es ewige Liebe?
Ewig zusammen
Was ist das Geheimnis ewiger Liebe? Wissenschaftler meinen, es seien die alltäglichen Kleinigkeiten. Wer ist die ewig glückliche Spezies? Die Pragmatiker, die Ängstlichen oder die Beständigen, die nicht soviel vom Leben fordern?
8. April 2017, 21:58
Josefa und Karl über ihre Beziehung
Was hält die Liebe jung? Paarbeziehungen, die über Jahrzehnte ihre Dynamik und Lebendigkeit nicht eingebüßt haben, sind rar. Gibt es ein Rezept für die Beziehung ohne Ablaufdatum? Ist es reines Glück, den Richtigen, die Richtige getroffen zu haben? Warum schaffen einige das, woran die meisten scheitern? Oder verstecken sich diese Menschen - im Zeitalter steigender Scheidungsraten - harmonieschwanger hinter der Illusion der ewigen Liebe und Verbundenheit?
"Und es war Liebe", sagt sie. Und sie sei es noch immer. Woher sie das wisse, frage ich die rundliche 85-Jährige, und was das überhaupt sei. "Das weißt du, wenn du liebst", sagt sie. Sie habe noch heute Herzklopfen, manchmal, nach 60 Jahren Ehe. "Sie ist halt meine Peppi", sagt er. Selber Jahrgang, 30 Zentimeter größer. Patentrezept gebe es keines, außer gegenseitige Achtung.
Hochleistung im Alltag
Ich lese nach. Was sich so einfach anhört, ist Hochleistung im Alltag, die nicht schwer fallen darf.
Jetzt ist es wissenschaftlich erwiesen: Es sind Kleinigkeiten wie Nasebohren und das Verstellen der Radiosender im Auto, die eine Ehe scheitern lassen. Das geht aus einer neuen Studie über die "Entromantisierung" von 160 Beziehungen hervor. Der US-Forscher Michael Cunningham verglich das Phänomen mit einer Allergie: In beiden Fällen handle es sich um Dinge, die "nicht schwer ins Gewicht fallen". Bei "wiederholtem Kontakt" nehme jedoch die Sensibilität zu.
Peppi und Karli
Antiallergikum sei die Aufmerksamkeit. Peppi kocht ihrem Karli Palatschinken, wenn ihm danach ist und mag es Mitternacht sein. Er hat ihr kürzlich eine neue Friteuse geschenkt und fährt sie zum Heurigen, wenn ihr danach ist. Achtung vor dem Partner. Achtung auch vor der Dauer. Auf ihre Kosten geht die Liebe, sagen die mit den geputzten Brillen. Ein unfaires Urteil. "Du musst dem anderen halt Freiheiten zugestehen. Eingeengt hab ich ihn nie. Oder hab ich, Karli?", sagt sie. Er schüttelt stoisch den Kopf. Das Lächeln ist liebevoll und echt.
Im nächsten Leben würden sie sich wieder heiraten, keine Frage. So, jetzt ist's eine Leistung. Manchen gelingt es 60 Jahre. Wer ist diese Spezies? Die Pragmatiker, die Ängstlichen oder die Beständigen, die nicht soviel von sich, vom anderen, vom Leben fordern?
Die Kunst der Bescheidenheit
Die schweren Jahre nach dem Krieg hätten sie verbunden, sagt Karli. "Da haben wir nichts gehabt". Das Rezept verdichtet sich. Konservatives Bindungsverhalten, Aufbaugeneration und Bescheidenheit. Fad sei ihnen nie geworden und schließlich sei es ihnen noch nie so gut gegangen wie jetzt, für sie ging es immer bergauf, hier in ihrer 45 Quadratmeter großen Gemeindebauwohnung.
Das Wohnzimmer hätten sie erst vor ein paar Jahren renoviert. Anfang der 1960er Jahre sind sie eingezogen. Im ganzen Block sind sie die Einzigen, die noch zusammen sind. Der Mensch macht den Krieg, Krieg ist seine liebste universelle Untugend.
Monika und Helmut
Drei Etagen im sozialen Gefälle höher zwei, die es seit 40 Jahren miteinander halten. Und zwar so sensibel, dass sie, Monika, in ihrer Dachgeschosswohnung spürt, wenn er aus dem Aufzug steigt. Und er, Helmut, Humor stets bereithält, wenn sie Gefahr läuft ins Regelwerk des Alltagsgrants zu geraten.
Das Haus im Waldviertel und klassische Musik sind ihre gemeinsamen Leidenschaften, sie sind hellhörig und damit nah an ihren Sehnsüchten. Die (Ent-)Täuschbarkeit der optischen Welt wiegen sie mit feinen Ohren auf. Deshalb bräuchten sie keine Brillen, weder rosarote noch graue. Auch hier ist von gegenseitiger Achtung, von dem Konzept "Partnerschaft", von Aufmerksamkeit die Rede.
Egoismus zurückschrauben
Wertschätzung müsse man für den anderen in sich tragen, den Egoismus zurückschrauben, die großen Krisen, Kinder und Pension, irgendwie meistern. Nämlich, wie? "Eigentlich ein Wunder, stimmt, wir hatten ein Masl", resümieren Monika und Helmut.
Das Unglaublichste, die härtesten Zyniker ergreifende Detail an den beiden Liebesgeschichten ist wohl, dass sie echt sind. Rezepte sind was für Anfänger.
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Moment, Schwerpunkt "Beziehungen", Montag, 17. Juli bis Freitag, 21. Juli 2006, 17:09 Uhr
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