Die schönsten Liebesbriefe der Musikgeschichte

Zu Robert Schumanns 150. Todestag

Am 29. Juli 1856 wurde er von seinen Leiden erlöst: Robert Schumann. Gäbe es einen Preis für die schönsten Liebesbriefe der Musikgeschichte, müssten ihn der Komponist und Clara Wieck erhalten. Brigitte Karner und Peter Simonischek lesen daraus.

Wenn man einen Preis für die schönsten Liebesbriefe der Musikgeschichte vergeben würde, dann müssten ihn Robert Schumann und Clara Wieck erhalten, für ihren Stil, die Fähigkeit ihre Gefühle in Worte zu fassen, wie überhaupt für sprachliche Poesie von literarischer Qualität. Nicht ohne Grund habe ich Robert zuerst genannt, denn der neun Jahre Ältere hat am Beginn des Briefwechsels natürlich die Reife des sprachlichen Ausdrucks für sich, das Kind Clara wirkt anfangs - mit dreizehn Jahren - noch etwas unbeholfen, wie als Schülerin zum Lehrer aufblickend, doch hat sich das im Lauf der Jahre schnell geändert.

Mehr als 500 Briefe umfasst die Gesamtausgabe, die auch kulturhistorisch interessante Aspekte bietet, ebenso wie Einblicke in Roberts Komponistenwerkstatt und in den Alltag von Claras internationaler Pianistenkarriere des 19. Jahrhunderts. Einige der schönsten daraus - gelesen von Brigitte Karner und Peter Simonischek - werden die literarische Basis der fünfteiligen Schumann-Serie in Apropos Musik im Juli bilden.

Zwiespältig, widerstreitend und zerrissen

Als blond und blauäugig hat der Wiener Kritiker und Satiriker Hans Weigel einmal Schumanns Musik bezeichnet, von der schon Nietzsche behauptet hat, sie sei nur ein deutsches Ereignis gewesen, kein europäisches, wie er das im Falle Beethovens und noch mehr - Mozarts ausgedrückt hat.

Wenn dem so ist, und wenn man also das Wesen Schumanns als Inkarnation des Deutschtums darstellt, und nicht etwa Richard Wagner diese fragwürdige Position in der Musikgeschichte zukommen lassen will, mit dessen Opern beide ihre ganz persönlichen Rezeptionsprobleme hatten - Weigel und Nietzsche - dann ist das Deutsche, zumindest das kreative Deutsche etwas Zwiespältiges, Widerstreitendes, Zerrissenes.

Schumanns zwei Seelen

Zumindest zwei Seelen wohnten in seiner Brust, denen Schumann die Namen Florestan und Eusebius gegeben hat. Der eine, den kraftvoll-vorwärtsstürmenden männlichen Teil seiner Künstlernatur repräsentierend und Eusebius, die mehr innerliche, vielleicht auch weibliche Seite. In seinen Schriften lässt er daneben noch vermittelnd einen "Meister Raro" auftreten, in dem die Schumann-Literatur den Vater Klaras, Friedrich Wieck zu erkennen glaubt, der die beiden Gegensätze zu einer höheren Einheit verschmelzen soll.

Das basiert auch auf Schumanns Davidsbündler Ideen, die sich wie ein roten Faden durch seine Schriften ziehen, dem Kampf gegen die Philister gewidmet. All das ist zum Teil ein fantastisch-ideelles Maskenspiel, das auch - in etlichen seiner Klavierwerke - zu einem musikalischen wird. Von Schumann bewusst mit verschwörerischer Geheimnistuerei versetzt, im Zeitalter des Staatskanzlers Metternich (zwischen den Revolutionsjahren 1830 und 1848) auch ein bewusstes Zeichen geistiger Eigenständigkeit und Originalität.

1856 von seinen Leiden erlöst

Vor 150 Jahren, am 29. Juli 1856, ist Robert Schumann gestorben. Besser: Ist er von seinen Leiden erlöst worden, denn zu diesem Zeitpunkt hatte er schon zweieinhalb Jahre in einer geschlossenen Anstalt verbracht. Schizophrenie hieß eine von mehreren posthumen Diagnosen.

Zwar lassen die kärglichen medizinischen Quellen verschiedene Schlüsse zu. Doch wie es die Ärzte auch immer sehen mögen, eine gespaltene Persönlichkeit ist er schon in musikalischer Hinsicht gewesen.

Dialoge Florestan - Eusebius

In seinen Schriften führten Florestan und Eusebius, die Individuen seiner "Doppelnatur", die sich in seiner Musik widerstreitend ergänzen, Dialoge, ja Streitgespräche, was eine neue Art von Musikkritik ergab, fern von den theoretischen Analysen E.T.A. Hoffmanns. Übrigens faszinierten ihn Hoffmanns Schriften außerordentlich.

In ihrer Fantastik sind sie in mehrere Werke eingeflossen, nicht nur in die "Nachtstücke" und in "Kreisleriana". Über letztere schreibt er an Clara: " ... Da wirst Du lächeln so hold, wenn Du Dich in 'Kreisleriana' wiederfindest. Meine Musik kommt mir jetzt selbst so wunderbar verschlungen vor - bei aller Einfachheit, so sprachvoll aus dem Herzen, und so wirkt sie auf alle, denen ich sie vorspiele."

Die Einmaligkeit Schumanns

Tondichter muss man Schumann nennen, und zwar in jedem Sinn des Wortes, denn seine Sprache war nicht nur Musik, sondern er handhabte das geschriebene Wort ebenso handwerklich gekonnt, ausdrucksstark und poetisch wie seine Sonaten, Noveletten und Romanzen entstanden. Auch das macht die Einmaligkeit Robert Schumanns in der Musikgeschichte aus, die Ebenbürtigkeit seiner beiden schöpferischen Begabungen als Musiker und als Schriftsteller. Es ist wahrscheinlich nur schwer zu entscheiden, ob der Nachwelt mehr Buchstaben oder mehr Notenköpfe von seiner Hand überliefert sind.

Die Buchstaben Schumanns sind jedenfalls bis heute bei der Beurteilung der Musikgeschichte ebenso ins Hintertreffen geraten, wie die Noten des E.T.A. Hoffmann, die einen zu Unrecht und die anderen zu Recht. Und mit dem Schriftsteller Schumann ist nicht nur der Musikkritiker gemeint, der seine, in vier Sammelbänden posthum publizierten, ebenso fachlich kompetenten wie geschmacklich subjektiven Feuilletons mit der journalistischen Entdeckung zweier Genies ("Hut ab, ihr Herren, ein Genie" - Chopin/1831 und "Neue Bahnen" - Brahms/1853) begann und abschloss, sondern auch der Poet, der genauso unermüdlich sein Tagebuch führte, wie seinen Briefwechsel.

Hör-Tipps
Apropos Musik, "Du bist wie eine Blume ... ", Robert Schumann zum 150. Todestag am 29. Juli, es lesen Brigitte Karner und Peter Simonischek, 1. Teil: Sonntag, 2. Juli 2006, 15:06 Uhr

Die weiteren Folgen werden an den darauffolgenden Juli-Sonntagen um jeweils 15:06 Uhr gesendet.

Link
Wikipedia - Robert Schumann