Vergleich Orchester- und Zemlinsky-Fassung

"Zauberflöte"-Fassung für Klavier

Joseph Weinberger übernahm 1901 mehrere kleine Musikverlage und verschmolz sie zur Universal Edition. Da er dringend neue Klassikerausgaben für den Liebhabermarkt benötigte, beauftragte er österreichische Komponisten mit Opern-Arrangements für Klavier.

Rezitativ Königin d. Nacht: Streich, Yo, Gruberova

Im Jahr 1901 übernahm der Verleger Joseph Weinberger einige kleinere Musikverlage und schmolz sie zu einer großen Firma, der Universal Edition Actiengesellschaft, zusammen. Weil er dringend neue Klassikerausgaben für den Liebhabermarkt brauchte, gab er eine Reihe von Opernarrangements für Klavier, sowohl für Solo als auch für Duo, bei verschiedenen österreichischen Komponisten in Auftrag.

Und dafür engagierte er einige Male den damals 31-jährigen Alexander Zemlinsky, Komponist der Opern "Sarema" und "Es war einmal", der auch Mitgewinner des renommierten Beethoven-Preises und Kapellmeister am Carltheater war und sich bereits einen Namen für besonders qualitätsvolle Orchestrierungen gemacht hatte. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht diesmal die "Zauberflöte"-Bearbeitung von Alexander Zemlinsky für Klavier zu vier Händen.

Russell Davies' Verdienst

Diese Fassung, die lange Zeit unbekannt war, wurde erst durch den Enthusiasmus von Dennis Russell Davies wieder ins Bewusstsein gerückt und liegt nun auch als CD vor. Russell Davies hatte dem Intendanten des Klavier-Festivals Ruhr, Franz Xaver Ohnesorg, so von Zemlinskys "Zauberflöte"-Bearbeitung vorgeschwärmt, dass der sie zu einem Konzertprogrammpunkt im Vorjahr machte.

Was auch sehr gut passte, stand das Klavier-Festival unter dem Motto "Transkriptionen und Paraphrasen" - und das Konzert war ein großer Erfolg. Die CD zeigt, dass Zemlinsky mehr gemacht hat, als nur einen behelfsmäßigen Klavierauszug der Oper zu erstellen. Es ist ein durchaus reizvolles Hörerlebnis, diese vertraute Musik in einem neuen Klangbild zu hören.

Zemlinsky-Renaissance durch Antony Beaumont

Zemlinsky war mit seinem Kapellmeisterjob am Carltheater nicht sehr glücklich und schrieb im Mai 1902 an seine Mutter: "Alles wäre schön auf der Welt, wenn’s keine Operette gäbe!" Dem Autor, Musikwissenschafter und Dirigenten Antony Beaumont, der sich seit Jahren für Zemlinsky engagiert und auch eine Biografie des Komponisten verfasst hat, ist die Zemlinsky-Renaissance zu verdanken.

Opern wie "König Kandaules" haben ihren Platz im Repertoire durch Beaumonts Einsatz gefunden. Seine Biografie bietet ein umfassendes Bild des Künstlers Zemlinsky und seiner Zeit.

Zemlinsky-Arrangements

Joseph Weinbergers Bestellung von Klaviermusik für den häuslichen Gebrauch bei Zemlinsky umfasste "Fidelio", "Die lustigen Weiber von Windsor", "Zar und Zimmermann", "Der Waffenschmied" und die "Zauberflöte".

Zemlinsky hat all diese Aufträge - mit Ausnahme des "Fidelio", der bereits im April fertig war - in den Sommerferien des Jahres 1902 erstellt. Um die Abgabetermine einhalten zu können, musste der Komponist täglich durchschnittlich zehn Manuskriptseiten schreiben. Aufträge, die er selbst nicht vollenden konnte, gab er übrigens an seinen Schwager Arnold Schönberg weiter. Am bekanntesten wurde Zemlinskys Transkription von Gustav Mahlers 6. Symphonie, die er 1906 verfasste. Auch davon gibt es übrigens seit kurzem eine CD.

Wichtig für Verbreitung neuer Musik

Außer Frage steht, dass Klavier-Transkriptionen neuer Orchesterwerke, und zwar so komplexer wie etwa Mahlers 6. Sinfonie, eine ganz wesentliche Rolle in der Verbreitung dieser Musik darstellten. Noch hatte ja die Schellack-Platte ihren Siegeszug nicht angetreten.

Diese Transkriptionen wurden z. B. in den Konzerten des von Arnold Schönberg gegründeten Vereins für musikalische Privataufführungen in den Jahren 1918 bis 1921 vorgestellt. Da brachten hervorragende Interpreten wie Eduard Steuermann oder Rudolf Serkin dem neugierigen Publikum die neuen Orchesterwerke zu Gehör und zu Verständnis.

"Zauberflöte"-Transkription

Zemlinsky wollte am Notentext nichts verändern, er will ihn gerecht auf vier Hände bzw. 20 Finger verteilen. Das ist schon Herausforderung genug, den jeweiligen Spielern einen angemessenen und einigermaßen ungestörten Bewegungsraum der Hände zuzugestehen, ohne die Balance und den Gesamtklang zu gefährden.

Abweichungen in Zemlinskys "Zauberflöte"-Bearbeitung ergeben sich dort, wo die Musik ohne den Text wenig Sinn ergibt. Das betrifft Szenen, die mit einem Übergewicht an Rezitativen aufwarten, wie etwa die Szene zwischen Tamino und dem Sprecher im Finale des ersten Aktes. Sie kommen in der Transkription nicht vor.

Klassische Appoggiatura-Regeln

Interessant ist, dass in denjenigen Rezitativen, die Zemlinsky beibehält, er die klassischen Appoggiatura-Regeln befolgt:

Die "Vorschläge", die zwischen zwei Melodie-Töne eingeschobene Verzierung, mit einem meist benachbarten Ton. Die Appoggiatur kann "auf dem Schlag", also der Zählzeit der Hauptnote, ausgeführt werden und diese entsprechend verkürzt wird. Oder "vor dem Schlag", so dass die vorangehende Note verkürzt wird. Aber absolute Einigkeit, wie die Appoggiaturen auszuführen sind, herrscht nicht.

Königin-der-Nacht-Arie im Vergleich

Beim Vergleich des Rezitativs zur ersten Arie der Königin der Nacht - in den Interpretationen von Rita Streich unter Ferenc Fricsay, Sumi Jo mit Arnold Östman und Edita Gruberova mit Nikolaus Harnoncourt -achte man auf die Stelle "Ein Jüngling so wie du vermag am besten’, ... ".

Bei Zemlinsky erfolgt die Appoggiatura von oben bei "unschuldig, weise" und "am Besten". Und dann geht es endlich weiter zur Arie "Zum Leiden bin ich auserkoren".

Mehr zu Mozart 06 in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 7. Juni 2006, 10:05 Uhr

CD-Tipps
W. A. Mozart; "Die Zauberflöte", Ferenc Fricsay, Deutsche Grammophon

W. A. Mozart, "Die Zauberflöte", Arnold Östman, Decca 4400852

W. A. Mozart, "Die Zauberflöte", Nikolaus Harnoncourt, Teldec 2292427162

Links
Bruckner Orchester Linz - Dennis Russell Davies
Zsolnay Verlag - Antony Beaumont: Alexander Zemlinsky
Alexander Zemlinsky
Nikolaus Harnoncourt
Sumi Jo
Universal Edition
Mozart 2006
Calling Mozart
Mozart 2006 Salzburg
Wiener Mozartjahr 2006

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