Oder: Was Sie über Ostern längst wissen
Eiermalen, Frühlingsdichten
Aus der Verquickung von Mystik, Mythos, Religion und Lebensfreude ist eines der - bei allem Kommerz - bis heute berührendsten Feste entstanden, das zu allen Zeiten selbstverständlich auch bedichtet wurde: das Osterfest.
8. April 2017, 21:58
Das selbst bemalte Osterei kommt immer mehr aus der Mode, seitdem uns die einschlägige Gefühlsindustrie immer mehr und viel schöneres, garantiert Selbstgemachtes ins Regal stellt - neben die Schokoladenikoläuse, aus denen süße Osterhaserln geworden sind. Das Eiermalen ist auch deshalb irgendwie nicht mehr so echt angesagt, weil man zu Ostern ja ohnedies zu nichts mehr kommt vor lauter Reiseplanen und Autobahnstauen und Karibikfliegen, oder auch Schinkenschnabulieren, Lamperlschmausen, Thujenrasieren, Fernsehfestprogramm reinziehen und putzige Osterdeko aufhängen, dass jeweils die Nachbarn einen beneiden.
Das ist schade. Denn dieses Ostern war ja immerhin einmal ein Frühlingsfest und hatte schon mit Befreiung, mit Gott und der Hoffnung und mit Opferlamm zu tun, als es noch nicht durch die Geschichte von Tod und Auferstehung überhöht war - und schon gar nicht mit Hendi und Hasi und Überraschungseili zugeschüttet.
Kurzum: Man sollte sich, auch wenn man nicht den Pinsel schwingt, nicht irre machen lassen an dieser gewissen Ahnung, dass da einmal was war, was vielleicht gar nicht so schlecht in die eigene Gefühlswelt passen würde (vielleicht als Osterdeko) - aber: was?
Zwiesprach' mit den Gänseblümchen
In solchen Schwankungszuständen zwischen dunkler Ahnung, dass..., und keiner Ahnung, was, hilft Frühlingsdichten. So wenig geachtet alle Lyrik das osterfreie Jahr über sein mag - zu Ostern, wenn da der Frühling dazukommt, da gibt's kein Halten. Da drucken die Zeitungen nicht nur buntbesinnliche Umschlagblätter, da hebt auch tief drinnen, auf den Leserbriefseiten, manch munteres Versholpern an, da entringt sich auch manch einer Supermarktfilialleiterbrust ein erlöstes Seufzen angesichts des gestiegenen Primelhybridenabsatzes - und auch wir, du und ich, geben wir's zu, stehen in diesen Tagen nicht selten da, tief versunken in den Anblick einer keimenden Wiese und halten Zwiesprach' mit dem Gänseblümchen Gottes.
Frühling sei's!
Frühling will es nicht nur werden, Frühling will auch ausgedrückt sein. Und zwar lyrisch! Nur beim Gedichte hebt es einen so richtig.
Poesie ist Leben,
Prosa ist der Tod!
Engelein umschweben
unser täglich' Brot.
So dichtete die berüchtigte "Schlesische Nachtigall", Friederike Kempner. Sie gab es wirklich.
Gut erfunden
Den Dichter Gottlieb Biedermeier, der da im Frühling schrieb:
Tal und Hügel werden grün
die Bäume schlagen aus
Ja, mancher fängt schon an zu blüh'n
und bildet einen Strauß!
Diesen Gottlieb Biedermeier gab's nicht, der war eine bös' erfundene Witzfigur, aber immerhin auch Namensgeber einer ganzen Epoche.
Frühlingsdichter sind mindestens so hartnäckig wie ihre Schöpfungen. Hartnäckig und haltbar wie der ewige Kitsch, der innere wie der äußere.
Gutes Gelingen!
Fürs Gelingen von Ostertagen braucht es, ganz im Gegenteil, sehr wenig:
Man nehme ein Pipihendi und ein Osterhasi und lasse beides ungegessen. Man schmeiße die total irre Osterdeko weg. Man mache Musik. Man fürchte sich vor dem "Osterreiseverkehr" und unterlasse ihn. Man nehme ein Hühnerei, betrachte es gründlich und bemale es so, wie man es einem lieben Menschen zudenken würde. Man sage "Ah!" und mache sich dazu passende Gedanken. Man tue und unterlasse zu Ostern noch einige Dinge, vergesse aber darüber nie, dass es "Fröhliche Ostern" sind.
Hör-Tipp
Eiermalen im April", Montag, 17. April 2006, 14:05 Uhr
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