Verständnis für menschliche Schwächen

Herbert Thomas Mandl

Musiker, Schriftsteller, KZ-Überlebender, Privatsekretär Heinrich Bölls, Ehemann der gefeierten Pianistin Jaroslava Mandlova - Herbert Thomas Mandl blickt mit 80 Jahren auf ein bewegtes Leben zurück. "Ich richte nie", lautet sein Grundsatz.

Herbert Thomas Mandl über Theresienstadt

Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.

Dieses Zitat von Friedrich Nietzsche steht auf einem Zettel über dem Schreibtisch. Das Klavier im Raum, die Plakate, die auf Konzerte in vielen Ländern verweisen, die zahlreichen Schallplatten im Schrank machen es auf den ersten Blick deutlich: Im Leben von Herbert Thomas Mandl spielt die Musik eine wichtige Rolle.

Musikalisches Ehepaar

Viele Fotografien an den Wänden zeigen seine Frau, die Pianistin Jaroslava Mandlova, mit der er selbst, als Geiger, bei Konzerten aufgetreten ist. Im Dezember ist Jaroslava Mandl, die einst gefeierte Pianistin, gestorben. Herbert Thomas Mandl hat ihren letzten Wunsch erfüllt. Er fuhr mit ihrer Asche zur Seebestattung an die Ostsee, die seine Frau so geliebt hat.

Von Bratislava nach Theresienstadt

Der 80-jährige Mandl blickt in seiner Wohnung in Meerbusch bei Düsseldorf auf ein bewegtes Leben zurück. Er hat die Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz, Dachau überlebt - auch dank der Musik. Er war Geiger im jüdischen Lager-Orchester.

Geboren wurde Herbert Thomas Mandl 1926 in Bratislava, wo er eine "paradiesische Kindheit" verbrachte. Es gab, wie er sich erinnert, keine Spannungen zwischen deutsch- und tschechischsprachigen Menschen. 1938 wurde mit den Sudetenkriegen eine erste Drohung am Horizont sichtbar. Als Hitler schließlich die von ihm so genannte "Resttschechei" besetzte, waren mit einem Schlag alle Bürgerrechte aufgehoben. Zunächst wurden Existenzen vernichtet, dann massenhaft Verbote ausgesprochen und Enteignungen vorgenommen. "Es ging sukzessive bergab und im März 1942 wurde dann die ganze Familie nach Theresienstadt deportiert.", erzählt Mandl.

KZ-Inszenierung und "reale Magie"

Theresienstadt galt als "Vorzeigelager“ der Nazis. "Als sich eine Delegation des Internationalen Roten Kreuzes zur Besichtigung des Lagers ankündigte, gab es im Lager plötzlich ein breiteres Kulturangebot als im Dritten Reich“, sagt Herbert Thomas Mandl. Unter dem Titel "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ wurden die Opern- und Orchesterkonzerte im Lager gefilmt. "Ich bin ein Filmstar“, sagt Herbert Thomas Mandl ironisch. "Sie sehen mich im Film als Geiger im Orchester.“

Die Musik, erklärt Mandl, erschloss den Häftlingen einen Bereich höherer Logik - durch sie war es möglich, auf den Hunger herabsehen. Noch heute empfindet er sie als "reale Magie".

Die Unbeschreiblichkeit von Auschwitz

Im September 1944 kam Herbert Thomas Mandl nach Auschwitz - ein Ort, der, wie er sagt, schwer zu beschreiben sei. Was die Menschen dort erwartete war eine "nie abreißende Kette von lebensbedrohlichen Katastrophen".

Sein Vater sollte im dritten Lager, in Dachau, in seinen Armen sterben. Er selbst überlebte. Seine Mutter konnte Mandl nach dem Krieg wieder finden.

"Durst, Musik, Geheime Dienste"

1948 lernt er beim Musikstudium seine Frau, Jaroslava, kennen. Beide erhalten Professuren am Konservatorium in Ostrau, seine Frau feiert Erfolge als Pianistin, gemeinsam treten sie bei Konzerten auf.

Jahre später wurde Herbert Thomas Mandl in Deutschland zum Privatsekretär des Schriftstellers Heinrich Böll. Bis heute spricht er mit großer Hochachtung von Böll und seiner Familie. Böll war, so Mandl, "absolut entkrampft". In seinem Haus herrschte eine durch und durch liberale Einstellung. Hatte Mandl Sorgen, wurde er "mit Eissplittertorte und zartem Spott kuriert." Böll war es auch, der Jaroslava Mandl heimlich in den Westen holte - in einem eigens von einem Zauberkünstler präparierten Auto.

Herbert Thomas Mandl hat Humor. Und viel Verständnis für menschliche Schwächen. Das zeichnet auch seine Bücher aus, die nie zur einseitigen Anklage werden. "Ich richte niemanden“ schreibt Herbert Thomas Mandl in seiner Autobiographie "Durst, Musik, Geheime Dienste.“ "Ich richte niemanden, weil ich nicht weiß, wie ich mich- auf der anderen Seite stehend- verhalten hätte.“

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 16. April 2006, 14:05 Uhr

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