Der Satiriker Friedrich Karl Waechter
Der Anti-Struwwelpeter
Er war Grafiker, Zeichner, Autor und schrieb für alle, "die einmal fünf waren und 99 werden wollen". Friedrich Karl Waechter - im September verstorben - zählte zu den größten deutschen Satirikern. Seine Cartoons wurden Kult, seine Sprüche überall zitiert.
8. April 2017, 21:58
Der deutsche Künstler über die 1968-Bewegung
Die Kritiker nennen ihn "einen der deutschen Götter auf dem Cartoonisten-Olymp", und Friedrich Karl Waechter - seines Zeichens Grafiker, Zeichner und Autor - war wohl einer der genialsten Satiriker Deutschlands. Seine Zeichnungen könnte man mit den Attributen "poetisch", "hintergründig", "skuril", "rabenschwarz" oder "bitterböse" bezeichnen.
Im September dieses Jahres ist er im Alter von 67 Jahren verstorben. Zehn Jahre zuvor war er zu Gast in den "Menschenbildern".
Kult-Status
Für die große Fangemeinde des "Zeichners und Schreibers" - wie er sich selbst nannte - haben die Bücher des Friedrich Karl Waechter längst Kult-Status. Sein wohl berühmtestes Buch "Der Anti-Struwwelpeter" - 1970 erstmals erschienen - gilt als Standardwerk der anti-autoritären Erziehung und als Nostalgiewerk der 1968er Generation. Dass er auf jene Schiene aufsprang, hing mit seiner Kindheit zusammen.
Vom Nationalsozialismus geprägt
'"Wofür ich in der Schule Prügel und wütendes Gebrüll geerntet hatte - nämlich für Frechheiten, Bosheiten und Geschmacklosigkeiten, erntete ich zu jener Zeit plötzlich Geld, Liebe und Anerkennung", sagte er 1995 im Interview für die "Menschenbilder".
Seine Kindheit war für den 1937 in Danzig geborenen Künstler vom Krieg geprägt. Sein Vater war Volksschullehrer und begeisterter Nationalsozialist. Von ihm hörte er nur Heldengeschichten. Als der Vater 1941 starb, war Friedrich Karl vier Jahre alt. Nach dem Krieg floh seine Mutter mit ihren insgesamt drei Kindern aus dem kleinen Dorf Tiegenhof über Warnemünde nach Sahms, einem Dorf im Südosten Schleswig-Holsteins. In Ratzeburg ging der kleine Waechter zur Schule; in Hamburg machte er dann später eine Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker.
Der Hang zum Anti-Autoritären
1962 kam Friedrich Karl Waechter nach Frankfurt. Er zeichnete zuerst für das linke Satire-Magazin "pardon", lernte Robert Gernhardt, F. W. Bernstein und Clodwig Potz kennen und gründete mit ihnen die "Neue Frankfurter Schule", die in den 1970er Jahren eine hintersinnige, absurde Komik etablierte.
Banales, Provokantes, Schräges, Abseitiges, Rätselhaftes - alles hatte seinen Platz. Über allen Zeichnungen und Artikeln stand aber sein anti-autoritärer Nachholbedarf, wie auch aus dem oben erwähnten Buch "Der Anti-Struwwelpeter" herauszulesen ist . Waechter gehörte plötzlich zu den Wegbereitern einer anti-autoritären Erziehung. Ein Etikett, das ihm bis heute geblieben ist.
Bekenntnis zur Kindlichkeit
"Ich bin nicht einfach ein erwachsener Mensch, weil ich eine Menge Jahre verlebt habe; ich bin auch ein Kind. Erst das Bekenntnis zur eigenen Kindlichkeit erlaubt, wirklich Fantastisches zu produzieren", betonte er oft und oft. Waechter wurde Kult. Seine Cartoons klebten auf Wohngemeinschafts-Kühlschränken oder hingen auf dem Klo, und seine Sprüche wurden überall zitiert.
In den 70er Jahren widmete er sich neben dem Zeichnen mehr und mehr neuen Betätigungsfeldern: Er schrieb Theaterstücke, drehte Filme; Collagen und Objekte entstanden. 1979 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des "endgültigen Satiremagazins Titanic". Seine Bücher erschienen im angesehenen Diogenes-Verlag. Sein Theaterstück "Schule mit Clowns" wurde überhaupt zu einem der meist gespielten Kindertheaterstücke des Vaters dreier Söhne. Seine Cartoon-Bände wie "Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein" oder "Es lebe die Freiheit" gelten noch heute als "Klassiker" ihres Genres.
"Mich wundert, dass ich fröhlich bin"
Ein Kasten mit beschrifteten Fächern in seiner Wohnung in Frankfurt am Main, wo er beispielsweise das Buch "Mich wundert, dass ich fröhlich bin" geschrieben hat, erinnert an die Vielfalt seiner Möglichkeiten als Künstler. Dort steht geschrieben: Bildergeschichte, Bleistiftskizze, Cartoon, Collage, Comic, Concept, Drama, Federzeichnung, Fotografie, Illustration, Karikatur, Literatur, Malerei, Nonsense, Montage, Objektkunst, Parodie, Plastik, Poesie, Satire ...
So frech und schamlos seine Zeichnungen und Bildergeschichten oft sind, so scheu und zurückhaltend wirkte Friedrich Karl Waechter 1999 beim Interview für die "Menschenbilder". Mit Papier und Bleistift fühlte er sich sichtlich wohler als vor einem Mikrofon.
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Buch-Tipp
Friedrich Karl Waechter, "Der Anti-Struwwelpeter", Diogenes Verlag, ISBN 3257007175
Link
Wikipedia - Friedrich Karl Waechter