Said über seine Heimat Iran

Ich und der Islam

Said liefert in seinem neuen Buch nicht nur vage Prognosen und allgemeine Einschätzungen zum Iran, er erzählt auch von Menschen und ihren Schicksalen, sowie eigenen Beobachtungen und Erlebnissen. Kein Islamist schreibt hier, sondern ein Betroffener.

Mina ist eine junge Frau, die in Teheran Chemie studiert - bis die islamische Kulturrevolution kommt und die Universitäten schließen lässt. Sie ist verheiratet, ihr Mann ist für eine linke Organisation tätig, während Mina jetzt arbeiten geht. Eines Tages dringen Revolutionsgardisten in ihre Wohnung, Mina wird gefilzt, geschlagen und, mit einem schwarzen Sack über dem Kopf, mit einem Auto abtransportiert. Sie wird verhört, verhöhnt, mit einem Gummiknüppel geschlagen und schließlich vergewaltigt und ausgepeitscht. Man verurteilt sie zu vier Jahren Haft.

Nach ihrer Freilassung verlässt sie den Iran, sie geht nach Deutschland, wo ihr Mann als politischer Flüchtling anerkannt ist und als Pizzafahrer arbeitet. Ihr Mann berührt sie nicht mehr. Als Mina einmal mit ihm schläft, schlägt er sie, und nennt sie eine Hure.

Der Kern bleibt

Die Geschichte von Mina, Opfer des islamistischen Staatsterrors, ist eine wahre Geschichte. Said, aus dem Iran stammender Schriftsteller mit Wohnsitz München, erfuhr sie von der Betroffenen selbst und erzählt sie nun in seinem neuen Buch "Ich und der Islam".

Mit seinem schmalen Bändchen will der Autor nicht fundamentale Religionskritik liefern, sondern, in sechs ganz verschiedenen Texten, eher allgemeine Reflexionen über seine Haltung zum Islam, über das Verhältnis von Staat, Ideologie und Politik im Iran, über den Konflikt zwischen Ost und West. "Geändert hat sich natürlich einiges, aber der Kern bleibt", erzählt Said. "Es ist immer noch ein diktatorisches Regime, dessen Opfer die eigene Bevölkerung ist, meist Frauen, Jugendliche, Autoren."

Der Taube und der Blinde

Said, 1947 in Teheran geboren, ist groß geworden in einer aufgeklärten, liberalen Familie. Mit 17 hat er seine Heimat verlassen, seitdem lebt und schreibt er im Exil. "Soziologisch bin ich ein Muslim", sagt er, ein bekennender Gläubiger freilich ist er nicht.

Auch wenn es vielleicht banal klingt: Said unterstreicht, völlig zu Recht, dass "Islam" nicht identisch ist mit Diktatur, Despotismus und Terror, mit Rückständigkeit und Totalitarismus. Und er weist darauf hin, dass der Westen mitverantwortlich ist an der "Radikalisierung der islamischen Welt", indem er totalitäre Regimes unterstützte und unterstützt.

der gegenwärtige dialog zwischen dem westen und dem islam erinnert an ein gespräch zwischen einem tauben und einem blinden, der eine ist taub, weil saturiert, der andere blind, weil er nur auf sich schaut.

Der Taube produziere zuweilen auch Waffen, der Blinde setze sie ein. Ob das auch auf Mahmud Ahmadinedschad zutrifft, den neuen Regierungschef in Teheran, den "Blinden" in der Diktion des Autors, bleibt abzuwarten. Hoffnungen auf eine Entspannung der Lage nährt der iranische Präsident jedenfalls nicht, meint Said.

Reformen nur von innen

Said ist überzeugt: Ein repressiver islamischer Staat wie der Iran kann nicht von außen, sondern nur von innen reformiert werden. Und auch wenn die aktuelle Politik zu Optimismus keinen Anlass gibt, sieht er doch die islamische Welt im Umbruch.

Said liefert in seinem neuen Buch nicht nur vage Prognosen und allgemeine Einschätzungen. Vor allem im Mittelteil des Buches, den "tagebuchnotizen zum islam", erzählt er von Menschen (wie der jungen Mina) und ihren Schicksalen - knapp, lakonisch und oft kommentarlos -. kommen eigene Beobachtungen und Erlebnisse zur Sprache oder Zitate aus Zeitungen, Briefen, persönlichen Gesprächen. Kein Islamist schreibt hier, kein Politologe oder Historiker, sondern ein "Betroffener", ein Schriftsteller im Exil, dem die Situation seiner Landsleute spürbar unter die Haut geht.

Buch-Tipp
Said, "Ich und der Islam", Verlag C. H. Beck, ISBN 3406535534