Das Phänomen Witz

Was gibt es da zu lachen?

Warum lachen wir über Witze, wie muss ein Witz sein, um zu funktionieren, gibt es geschlechtsspezifische und kulturelle Unterschiede im Witzgeschmack? Fragen, mit denen sich verschiedene wissenschaftliche Disziplinen seit langem beschäftigen.

Um das Phänomen Witz zu erklären, gibt es eine große Zahl theoretischer Ansätze aus den Bereichen Linguistik, Anthropologie, Soziologie und aus der Psychologie. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht basiert zum Beispiel nahezu jede Pointe auf einer so genannten Skript-Opposition.

Der Witz lebt vom Widerspruch

Ein Skript ist sozusagen eine verfestigte kommunikative Einheit. Die Gesprächspartner kennen diese Einheit und denken bei der Entschlüsselung von Wörtern das entsprechende Skript gleich mit.

Im Witz funktioniert diese Einheit aber nur in Hinblick auf eine andere. Es wird auf eine zweite Denkebene umgeschaltet, eine Situation kippt plötzlich, erscheint in einem anderen Licht, und dieser "Kurzschluss" im Gehirn löst Lachen aus.

Mit der Skript-Opposition allein lässt sich ein gelungener Witz aber noch nicht erklären. Eine wichtige Rolle spielt auch direkte Redewiedergabe ebenso wie Mimik, Gestik, Intonation oder die Verwendung von anschaulichen Details, um Personen zu illustrieren.

Der Witz und die Psychoanalyse

Aus Sicht der Psychoanalyse liegt aber jedem Lachen das zugrunde, was Sigmund Freud als ersparten Hemmungsaufwand beschrieben hat. Das bedeutet, dass wir es mit Hilfe des Witzes schaffen, eine Hemmung, die wir uns durch unsere Sozialisation, durch Druck der Gesellschaft, aufgebaut haben, zu überwinden und dadurch einen Lustgewinn erzielen.

Besonders gut lassen sich Hemmungen in einer Gruppe überwinden. Witze schaffen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, und sie bestätigen gemeinsame Werthaltungen in einer Gruppe, die sich damit gleichzeitig auch gegen eine andere Gruppe abgrenzen will. Dieses Phänomen wird vor allem bei ethnischen Witzen deutlich, in denen es vielfach darum geht, die eigene Kultur über eine andere zu stellen.

Tabubrüche und Normverletzungen

Tabubrüche und Normverletzungen spielen im Witz fast immer eine Rolle. Mit seiner Hilfe kann man sich eben Dinge erlauben und Dinge ansprechen die im Alltag nicht so leicht an- und auszusprechen sind und das, ohne gravierende Folgen. Das zeigt sich zum Beispiel bei Sex-Witzen, aber auch bei Witzen über Krankheit und Tod.

Witz und Entlastung

Ein Phänomen ist, dass sehr oft kranke Menschen Witze über ihre Leiden machen. Sie tun das aber nicht, um irgendetwas zu verharmlosen, sondern um sich - zumindest für einen Moment - aus ihrer belastenden Situation zu befreien.

Diese Entlastungsfunktion hat auch der politische Witz, mit dessen Hilfe man sich gegen die Obrigkeit erheben und vorübergehend von Druck befreien kann.

Witz-Geschmäcker

In westlichen Gesellschaften sind national-kulturelle Unterschiede bei Witzvorlieben kaum nachweisbar. Worüber inhaltlich gelacht wird, ist wohl vorwiegend eine Frage des Geschmacks - auch was Männer und Frauen betrifft.

Auffällig ist aber, dass seit relativ kurzer Zeit - seit etwa zehn Jahren - Frauen Witze über Männer erzählen, in denen diese mit ihren sexuellen Eigenschaften ausgiebig aufs Korn genommen werden - insofern wohl auch ein Ausdruck von Emanzipation.

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