Ein gelungener Fund
Theater der Leidenschaften
Barockopern haben oft viele Gesichter. So auch "Giulio Cesare in Egitto". Die berühmteste Bearbeitung stammt von Georg Friedrich Händel. Seine Vorlage komponierte allerdings schon Antonio Sartorio, der kürzlich wiederentdeckt wurde und jetzt auf CD vorliegt.
8. April 2017, 21:58
Wer kennt sie nicht, die Liebesgeschichte um Julius Cäsar und die ägyptische Königin Kleopatra. Letztendlich wurde diese Geschichte durch den Film "Asterix und Kleopatra auch dem breiten Publikum bekannt. Nur durch Asterix? - Nein, denn die Story faszinierte Filmemacher und Leinwandhelden seit es die bewegten Bilder gibt, sie ist der Stoff, um Bücher zu schreiben, ein ideales Sujet auch für das Musiktheater.
Ö1 Hörer wissen, dass sich anno 1724 kein geringerer als Georg Friedrich Händel der Sache annahm und seinen "Giulio Cesare in Egitto auf die Bühne brachte. Am Dienstag, 23. August 2005 hat Ö1 das Werk live von den Londoner Proms mit Sarah Connolly, Danielle de Niese und Angelika Kirchschlager unter der Leitung von William Christie. Eine fulminante Produktion, die man natürlich beim Ö1 Audioservice zum Nachhören bestellen kann.
Vorlage
Wer kennt die Vorlage für den Händelschen "Cesare? Sie entstand 1674 in Venedig, im 17. Jahrhundert das Zentrum für das Theater der Leidenschaften - die Barockoper. Komponist Antonio Sartorio, wie auch Librettist Giacomo Francesco Bussani sind heute freilich längst in Vergessenheit geraten.
Und das mit so großem Erfolg, dass wir uns entschlossen haben, den Live-Mitschnitt auf Tonträger zu veröffentlichen. Die Box mit drei SACDs und einer Bonus-CD-plus, die neben Ausschnitten weiterer Titel der ORF Edition Alte Musik auch das vollständige Libretto italienisch-deutsch als PDF-Dokument enthält. Dem neuesten technischen Standard entsprechend, bieten die Platten sowohl Stereo oder Surroundsound an.
Whats the difference
Musikalisch unterscheidet sich Sartorios "Cesare vom Händelschen einmal dadurch, dass es beim früheren Werk noch keine Dacapo-Arien im Sinne des Hochbarock gibt. Das eher klein besetzte Orchester breitet sich vor allem in Überleitungsmusiken aus.
Attilio Cremonesi, der durch die Schule von René Jacobs gegangen ist, weiß, wie man heute eine venezianische Oper des Seicento macht: man verwendet zur Erweiterung der musikalischen Farben einen großen Continuo-Apparat mit zwei Cembali, zwei Theorben, Harfe und Orgel. So ist es möglich, einzelnen Sängerdarstellern ihre spezielle Begleitung zu geben.
Mitunter komisch
Kenner des venezianischen Opernrepertoires des 17. Jahrhunderts werden vermuten, dass es auch vom Libretto her Unterschiede zwischen Sartorio und Händel geben müsste. Die Vermutung ist richtig. Denn die Opern aus Venedig haben quasi standardgemäß - sei der Stoff auch noch so ernst oder tragisch - zur Auflockerung immer auch komische Rollen. So gibt es in Sartorios "Giulio Cesare in Egitto eine gewisse Rodisbe, die Amme der schönen Kleopatra.
Es versteht sich von selbst, dass die Frau bereits in den Jahren ist und es versteht sich freilich auch von selbst - zumindest für das Jahr 47 vor Christus, in dem die Handlung spielt -, dass sich die arme Frau nach vielen bitteren Enttäuschungen und Beziehungskrisen, endlich den richtigen Liebhaber zu bekommen. Dass die ersehnte Erfüllung dieses Wunsches immer wieder zu komischen Einlagen in der Oper führt, versteht sich wiederum von selbst. Wie auch immer: Am Happyend können die beiden Hauptpersonen Julius und Kleopatra ihre Liebe besingen - Kleopatra wird Königin von Ägypten.
Antonio Sartorio ist mit seinem dramma per musica Giulio Cesare in Egitto" ein äußerst dramatisches Werk gelungen, das einen Vergleich mit anderen zeitgenössischen Opern nicht scheuen muss und nicht nur zum Vergleich mit Händel einen bedeutenden Punkt in der musikalischen Landkarte darstellt, sondern ein wahres Theater der Leidenschaften ist.
Soli Deo Gloria
Euer
Fra Bernardo (alias Bernhard Trebuch)
CD-Tipp
Antonio Sartorio, Giulio Cesare in Egitto, ORF Edition Alte Musik CD 409, erhältlich im Ö1 Shop