Heimatweihe, Glockenabend und Fetzenmarkt

Sozialbiotop Dorf

Wenn sonntags die Glocken läuten, zeigt sich die Kirche immer gut besucht. Wenn danach sieben Personen am Stammtisch beisammensitzen, sind damit knapp 20 Vereine vertreten. Eine Reportage aus der weststeirischen Gemeinde St. Johann-Köppling.

4. Juli 2005. Die Blasmusikkapelle von St. Johann ob Hohenburg hat ihren großen Tag. Die 56 Mann, Frau und Kind starke Kappelle besteigt zwei Traktorgespanne und fährt von einem Anwesen des Dorfes zum anderen. Von früh bis spät werden Märsche gespielt, dargebotene Jausen verzehrt und tüchtig getrunken. Ohne Musi is ka Musi, hört man am Stammtisch und das Wort ist wahr. Endet bei einem Dorffest die Musik, gehen die Menschen nach Hause, die Feierstimmung verebbt.

Nachwuchsprobleme kennt die Ortsmusik keine, das jüngste Mitglied ist neu das älteste weit über 70. Stiller geht es zu, wenn die Kirchenglocken zum morgendlichen Sonntagsgottesdienst läuten. Aus sechs Dörfern strömen dann die Menschen zur Messe. Vor der Kirche versammeln sich links die Frauen und rechts die Männer. Genauso streng getrennt nehmen sie auch im Inneren Platz: links die Frauen, rechts die Männer. In erster Linie sind es junge Familien, die dieser Tradition nichts mehr abgewinnen können und sich dorthin setzen wo es ihnen gefällt. Die älteren Semester aber überwiegen und prägen nach wie vor das Bild der Kirche.

"Hohlguggert" in der "warren"

Da es unter der Woche oft schwer ist Nachbarn oder Bekannte zu treffen, bietet der regelmäßige Kirchgang willkommene Gelegenheit miteinander ins Gespräch zu kommen. Deshalb bleiben die Dorfbewohner auch nach dem Gottesdienst gerne und lange vor der Kirche stehen.

Wem diese Zeit zu kurz ist, der geht ins Wirtshaus nebenan. Dort sitzen schon die ersten Männer, die den Herrgott einen guten Mann sein lassen und statt der Hostie lieber Würstel und Bier zu sich nehmen. Die Frauen gehen selten mit. Sie machen sich eher am heimischen Herd zu schaffen, denn um die Mittagszeit kommt der Mann nach Hause und dann wird gegessen. Vorher jedoch getrunken, Neues erzählt oder Altes hervorgeholt.

Für neu Zugezogene eine große Chance am Stammtisch im besten Weststeirisch Nachhilfeunterricht über ländliche Belange zu erhalten. Zum Beispiel lernen sie, dass man unter "beikodder" einen Bienenstock versteht, dass dieser Ausdruck aber auch für polizeiliche Radarkästen verwendet wird, oder dass die "schwamm" wegen der vielen Schnecken heuer "hohlguggert" in der "warren", im Wald, stehen.

Modeschau und Fetzen

Wenn beim Kirchenwirt auch nur wenige Personen zusammensitzen, ist damit meist schon das ganze Vereinsleben des Dorfes repräsentiert. Vom Heimkehrerbund über Jagdgesellschaft, Eisschützenverein, Sportclub, Volkstanzkreis, Katholische Frauenbewegung, Sparverein bis hin zur Bibelrunde und natürliche der Feuerwehr. Eine für die Gemeinde nicht wegzudenkende Institution.

An dem jährlichen Fetzenmarkt der Florianijünger kommt kein echter Dorfbewohner vorbei. Alleine schon die Spenden die er in Form von gerade noch verwertbarem Hausrat der Feuerwehr übergibt, lässt diese wieder ein weiteres Jahr überleben. Da aber Fetzen kein noch so freundliches Publikum einen ganzen Tag lang bei der Stange halten, dreht sich der Hendlgriller bis in die späten Nachmittagsstunden und die Feuerwehrleute proben angetan mit ebendiesen "Fetzen" ihre Fähigkeiten als Models auf dem Laufsteg.

Privatinitiativen statt tristem Alltag

Der Alltag hingegen kann still und trist sein im Dorf. Kaum ein Mensch auf der Straße, ein Traktor vielleicht, das gelbe Postauto oder der Bäcker, der von Haus zu Haus fährt. Wenn dann eine junge Mutter ihr Baby im Kinderwagen spazieren führt, muss sie sich die hinter dem Vorhang gestellte Frage schon einmal gefallen lassen, ob sie denn nichts zu tun habe.

Sie wird wahrscheinlich noch bei keinem Verein aktiv sein oder eben erst aus der nahen Stadt zugezogen sein. Gerade für solche Mütter und Väter hat eine Gemeinderätin die so genannte "Zwergerlgruppe" gegründet. In regelmäßigen Treffen lernen sich Eltern und deren Kinder untereinander kennen und finden dabei recht häufig regen Austausch, auch über diese Treffen hinaus. Dass im Dorf tatsächlich noch untereinander geheiratet wird, ist eine andere Geschichte.

Download-Tipp
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Gemeinde St. Johann-Köppling