Lösungsansätze zur Armutbewältigung
Afrika - für immer Bettler der Welt?
450 Milliarden Dollar sind in den vergangenen 40 Jahren nach Afrika geflossen. Der ärmste Kontinent wird dennoch immer ärmer. Beim dreitägigen G8-Gipfel im schottischen Gleneagles wird daher den Hilfsmaßnahmen für Afrika breiter Raum gewidmet.
8. April 2017, 21:58
Statements im Vorfeld des G8-Gipfels
Neben dem Klimaschutz ist die Hilfe für Afrika beim G8-Gipfel im schottischen Gleneagles eines der zentralen Themen. Die Staats- und Regierungschefs der sieben größten Industriestatten und Russlands wollen sich bei diesem dreitägigen Treffen auf zehn gemeinsame Erklärungen einigen. Geld allein helfe jedenfalls nicht, es brauche auch fairen Handel und weiteren Schuldennachlass, wird u. a. im Vorfeld argumentiert.
Erfolgsaussichten im Handel
Hochsubventionierte Zuckerrüben aus Europa, Billig-Baumwolle aus den USA, horrende Einfuhrzölle auf Reis in Japan. Gegen diese Konkurrenz hat Afrika im Welthandel keine Chance. Vor allem der britische Premierminister Tony Blair macht sich für ein stärkeres Gleichgewicht auf den internationalen Märkten stark. Anders - so auch die Ansicht zahlreicher Experten - wird sich Afrika niemals aus der Armut retten können.
Finanzhilfen und Schuldenerlass seien zwar wichtige Schritte, der Schlüssel zum Erfolg liege aber im Handel, argumentieren Blair und seine Gefolgsleute. Die reichen Staaten müssten ihr komplexes System von Subventionen und Handelsschranken reformieren, das ihnen bisher einen dicken Vorsprung vor den afrikanischen Bauern und Unternehmern sichert. Nur auf diese Weise könnten die Menschen auf dem schwarzen Kontinent in die Lage versetzt werden, sich selbst selbst zu versorgen.
Afrika will kein ewiger Bettler sein
So der ghanesische Geistliche Robert Aboagye-Mensah, der ebenso zum G8-Gipfel nach Schottland reiste: "Wir wollen uns wie alle anderen Staaten dem Wettbewerb stellen. Sobald wir ein gerechtes Handelssystem haben, wird es uns tatsächlich möglich sein, unsere Zukunft selbst zu bestimmen".
Während Asien und andere Konkurrenten wirtschaftlich im Höhenflug sind, ist der afrikanische Anteil am Welthandel von 1980 bis 2002 von sechs auf zwei Prozent geschrumpft, wie die von Blair ernannte Afrika-Kommission ermittelte. Wenn der Kontinent nur einen Bruchteil des Geschäfts zurückerobern könnte, wäre das mehr wert als jede Finanzhilfe. Doch die Hindernisse sind gewaltig.
Subventionen falsch verteilt
Weltweit fließen Milliarden Dollar an Subventionen in die Landwirtschaft, unter anderem an die Zuckerrübenbauern in Frankreich oder an die Baumwoll- und Reisproduzenten in den USA. Leidtragende sind dabei die Afrikaner: Die kleinen Produzenten können weder im Aus- noch im Inland mit den oft unter den Produktionskosten liegenden Niedrigpreisen konkurrieren. In Ghana etwa legt eine Flut von subventioniertem US-Reis die einheimische Produktion lahm.
Die Kenianerin Lynette Muga, die seit 22 Jahren Zuckerrüben anbaut, sieht ihre Lebensgrundlage schwinden. Das Unternehmen, an das sie ihre Ernte bisher verkauft hat, ist Pleite gegangen, da Importzucker inzwischen deutlich billiger ist. Jetzt muss Muga ihre Rüben zu weit entfernten Verarbeitungsfabriken bringen, was ihren ohnehin geringen Ertrag weiter sinken lässt: "Der Zusammenbruch des Handels zwingt Frauen und Kinder zur Prostitution, und Männer werden zu Kriminellen, um überhaupt etwas zum Leben zu haben", sagt die 41-Jährige.
Produzentenschutz wichtiger
Nach Angaben von Blairs Afrika-Kommission geben die reichen Staaten, vor allem die Europäische Union, die USA und Japan, jährlich 300 Milliarden Euro für Subventionen und Maßnahmen zum Schutz ihrer Produzenten aus. Das sei das Sechzehnfache der gesamten Hilfsausgaben für Afrika.
Nach Ansicht von Aktivisten geht die Schere immer weiter auseinander: "Wir predigen im Süden freien Handel, und im Norden praktizieren wir ihn nicht", sagt Liz Stuart von der Hilfsorganisation Oxfam. Für jeden Dollar, den die wohlhabenden Länder an Afrika spendeten, entzögen sie dem Kontinent zugleich zwei Dollar infolge der unfairen Handelsregelungen.
Abbau von Agrarsubventionen
Auch Weltbankpräsident Paul Wolfowitz forderte zur Bekämpfung der weltweiten Armut einen Abbau der Agrarsubventionen in den Industriestaaten. Beihilfen und Handelsbarrieren hinderten Landwirte aus der Dritten Welt daran, auf dem Agrarmarkt zu bestehen.
Für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in Ländern der Dritten Welt seien vor allem inländische Investitionen wichtig, fügte Wolfowitz hinzu. Die Bedeutung von Investitionen aus dem Ausland werde häufig überschätzt.
UNDP-Entwicklungsprogramm
Dem UNDP, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen zufolge ist die Pro-Kopf-Hilfe für afrikanische Länder südlich der Sahara von 1990 bis 2003 lediglich von 13 auf 16 Dollar angestiegen. Insgesamt sei die Auslandshilfe von 81 auf 74 Dollar pro Person gefallen. Dagegen habe das Pro-Kopf-Einkommen der G7-Länder im selben Zeitraum um 7.835 Dollar zugenommen. Die Militärausgaben hätten sich pro Einwohner um durchschnittlich 168 Dollar erhöht - in den USA sogar um mehr als doppelt so viel.
Durch Handel zu Wohlstand
Nach Ansicht der EU-Kommission braucht Afrika auch Hilfe bei Problemen, die seine Produktivität einschränken. Genannt werden etwa die schlechten Schulsysteme, Verkehrs- und Kommunikationswege sowie die weit verbreitete Korruption. Wenn diese Faktoren verbessert werden könnten -so der britische Schatzkanzler Gordon Brown - wäre Afrika in der Lage, "durch den Handel zu Wohlstand zu gelangen".
Der ghanesische Geistliche Aboagye-Mensah zeigt sich jedenfalls optimistisch: "Wir sind keine Menschen, die leicht aufgeben", sagt er. "Es ist den Kampf wert!"
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Links
UNECA - United Nations Economic Commission for Africa
freenet.de - Erläuterungen zur UNECA
Deutsches Auswärtiges Amt - G8-Gipfel
Business Action for Africa
G8 Summit Gleneagles 2005
Gleneagles Hotel
Live 8